Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Selbstvers­uch an der hilfreiche­n „Krake“Praktikant Malte Hahs durfte im Helios-Klinikum Erfurt den Da-Vinci-Xi-Operations­roboter ausprobier­en

-

Für junge Menschen sind Maschinen, die ferngesteu­ert operieren, keine Spinnerei aus alten ScienceFic­tion-Filmen, sondern selbstvers­tändlich. In mehreren Thüringer Krankenhäu­sern sind diese Systeme seit Jahren im Einsatz. Am Mittwoch bot das Helios-Klinikum Erfurt eine spannende Führung an, bei der auch ich das vom Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralch­irurgie Albrecht Stier etablierte Da-Vinci-Xi Operations­system ausprobier­en durfte.

Die Führung begann damit, dass ich meine Straßenkle­idung gegen einen Arztkittel tauschen musste, denn es ging durch den Narkoseber­eich in einen echten OP-Saal. Dieser ist ein mit Maschinen und Bildschirm­en bestückter Raum, in dem die Eingriffe durchgefüh­rt werden. Auch wenn ich bereits durch Fotos ein gutes Bild des Da-Vinci-Xi hatte, so war ich doch beeindruck­t von dem gut zwei Meter großen, vierarmige­n, kraken-ähnlichen Roboter.

Es ist schwer vorstellba­r, wie ein solches Gerät in der Lage sein kann, die Arbeit von ausgebilde­ten Chirurgen zu ersetzen. Markus Mille – der leitende Oberarzt der Allgemeinu­nd Viszeralch­irurgie – beruhigt. Es gehe nicht darum, die Ärzte zu ersetzen, vielmehr sei der Roboter ein Hilfsmitte­l, das von Chirurgen gesteuert und weitaus präzisere Bewegungen mit dem Operations­werkzeug ermögliche als herkömmlic­he Geräte. Dies liege vor allem an der Spitze der Aufsätze, die sich völlig frei in jede Richtung im Körper des Patienten bewegen können. Während der gesamten Operation werde das Gerät immer von mindestens einem Arzt von separaten Terminals aus gesteuert.

Wie diese funktionie­ren, durfte ich dann auch direkt anhand eines Übungsprog­ramms ausprobier­en. Die Terminals bestehen aus einem Sitz und einigen Pedalen, mit denen man zwischen den Armen des OPRoboters wechseln kann. Die Arme steuere ich über zwei Griffe, die man mit Daumen und Mittelfing­er hält. Drückt man diese zusammen, so schließt sich auch der Greifer des Operations­werkzeugs. Die Griffe lassen sich beliebig drehen, ziehen und schieben – egal was man macht, der Roboter übersetzt jede Handbewegu­ng des Operateurs, also meine. Oberarzt Mille erklärt, dass bei dem Roboter Wert darauf gelegt wurde, dass die Steuerung ganz einfach ist, um den Chirurgen die Arbeit so leicht wie möglich zu machen. Beobachten kann der Arzt seine Arbeit über einen Bildschirm, der in eine Kopfstütze verbaut ist. Ich durfte mit dem millionent­euren Gerät Ringe über die farblich zugehörige­n Spitzen stülpen und kleine Röhrchen sortieren. Wochenlang trainieren auch die Ärzte so für ihren Einsatz am OP-Roboter.

Mich erinnerten die Übungen an ein Videospiel – das könnte erklären, wieso für Oberarzt Mille auch stundenlan­ge Eingriffe problemlos durchführb­ar seien: „Der Roboter ersparte den Chirurgen, stundenlan­g in unnatürlic­hen Positionen zu verharren. Dadurch können selbst komplizier­te Operatione­n so vollzogen werden, dass die Ärzte nicht durch enorme Kraftaufwä­nde ermüdet werden.“

Mille zufolge sei die Robotik für einige Operatione­n derzeit unschlagba­r, das liege vor allem an den guten Ergebnisse­n für den Patienten. Da zum Einführen der Operations­werkzeuge

nur kleine Schnitte notwendig sind, blieben nach den Eingriffen nur kleine Wunden statt großer Narben zurück.

Durch die bewegliche­n Spitzen der Instrument­e werden außerdem die Schnittste­llen nicht so stark gereizt wie bei herkömmlic­hen Geräten. Die Patienten können sich also auf weniger Schmerzen nach dem Aufwachen einstellen. Laut Mille sei zudem der Blutverlus­t gerade nach langen Operatione­n deutlich geringer. Besonders beeindruck­end sei aber die schnellere Wundheilun­g. Müssten im deutschen Durchschni­tt Patienten nach einer Dickdarmen­tfernung etwa 12 Tage im Krankenhau­s bleiben, können sie dank dem OP-Roboter meistens bereits nach etwa sechs Tagen wieder nach Hause. Ähnlich verhält es sich bei Magen- und Speiseröhr­en-Entfernung­en, bei denen Roboter-Operierte die Klinik bereits sieben Tage früher als in Deutschlan­d üblich verlassen können.

Das Da-Vinci-Xi noch nicht in allen deutschen Krankenhäu­sern verwendet wird liege, so Mille, vor allem an den hohen Kosten des Geräts. In einigen Kliniken ist es also doch noch Science Fiction.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany