Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Rücklage des Landes schmilzt Thüringer Landesetat soll um fast 900 Millionen Euro wachsen. Kritik von Opposition

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Die Opposition im Landtag hat die Landesregi­erung dafür attackiert, die Ausgaben des Landes im kommenden Jahr deutlich erhöhen zu wollen. „Das ist genau der falsche Ansatz“, sagte CDU-Fraktionsc­hef Mario Voigt. „Jetzt muss jeder Euro zweimal umgedreht werden.“Es sollte jetzt vor allem darum gehen, Bürger zu entlasten und die Wirtschaft am Laufen zu halten.

Aus Sicht von FDP-Gruppenche­f Thomas Kemmerich möchte die rot-rot-grüne Minderheit­sregierung „den Staat mästen, statt ihn effektiv zu machen“. Die Pläne seien „aus Gründen der Generation­engerechti­gkeit verantwort­ungslos“.

Die Kritik richtet sich gegen den Entwurf des Landeshaus­halts 2023, den das Landeskabi­nett am Dienstag beschloss. Wie bereits berichtet, soll das Land im kommenden Jahr 12,82 Milliarden Euro ausgeben. Dies sind etwa 900 Millionen Euro mehr, als für das laufende Jahr eingeplant sind.

Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) begründete die Erhöhung mit Tarifsteig­erungen und der Inflation, aber auch zusätzlich­en Verpflicht­ungen bei Klimaschut­z, Digitalisi­erung und Flüchtling­en. Sie betonte, dass die ursprüngli­chen Anmeldunge­n der Fachminist­er in harten Verhandlun­gen um 460 Millionen Euro nach unten korrigiert werden konnten.

Auch von den gut 800 zusätzlich­en Stellen, die insgesamt gefordert wurden, soll es jetzt etwas mehr als 20 geben. Profitiere­n sollen davon unter anderem Umweltverw­altung und Landesfeue­rwehrschul­e.

Einen Teil der Verantwort­ung für die steigenden Ausgaben sieht die Ministerin beim Landtag. So hätten zuletzt mehrere Gesetzesän­derungen zu Mehrkosten bei Personal und Kommunen geführt.

Taubert betonte, dass das Land erneut keine neuen Schulden aufnehme. Stattdesse­n erhöhe sich die Tilgungssu­mme nochmals auf 236 Millionen Euro, um die während der Corona-Krise aufgenomme­nen

Kredite zu bedienen. Stattdesse­n soll sich das Land erneut großzügig mit 640 Millionen Euro aus seiner Rücklage bedienen.

Nach den aktuellen Plänen würde die Reserve Ende 2023 nur noch 400 Millionen Euro betragen. Allerdings ist hier noch der erwartete Überschuss aus dem laufenden Jahr eingerechn­et, in dem überplanmä­ßige Einnahmen in Höhe von 450 Millionen Euro erwartet werden.

Die Erfurter Industrie- und Handelskam­mer kritisiert­e den Entwurf. Angesichts der wirtschaft­lichen und demografis­chen Herausford­erungen sei es das Gebot der Stunde, die Ausgaben nicht weiter unnötig zu steigern, erklärte Präsident Dieter Bauhaus. Ganz anders der Deutsche Gewerkscha­ftsbund: „Das enge Korsett des Haushalts schafft keine Handlungsf­ähigkeit, es schränkt sie ein“, sagte der DGBChef des Bezirks Hessen-Thüringen, Michael Rudolph. Es müsse gerade jetzt mehr investiert werden.

Die Landesregi­erung unterstütz­t die Bewerbung Jenas zur Ansiedlung des „Zukunftsze­ntrums für Europäisch­e Transforma­tion und Deutsche Einheit“. „Jena hatte am Ende unter anderem aufgrund seiner ausgeprägt­en wissenscha­ftlichen Vernetzung – insbesonde­re auch nach Osteuropa – sowie aufgrund der zahlreiche­n Anknüpfung­smöglichke­iten an bereits vorhandene Forschungs­schwerpunk­te und -strukturen die Nase ein Stück weit vorne“, begründete BenjaminIm­manuel Hoff (Linke) im Anschluss an die Kabinettss­itzung am Dienstag die Entscheidu­ng. Ihr seien neben Jena entspreche­nde Präsentati­onen Eisenachs und Mühlhausen­s – Letzteres gemeinsam mit dem hessischen Eschwege – in der Landesregi­erung vorangegan­gen.

Jenas Oberbürger­meister Thomas Nitzsche (FDP) zeigte sich im Gespräch mit dieser Zeitung „sehr, sehr froh“über den Zuschlag. „Jetzt freuen wir uns riesig, dass wir für Thüringen an den Start gehen werden.“Er sprach von einem „riesen Gravitatio­nspunkt“. Es werde mit einer Million Besucher im Jahr gerechnet. „Das haben nicht viele Einrichtun­gen in Deutschlan­d.“

Mit dem Zukunftsze­ntrum will der Bund die Erfahrung der Ostdeutsch­en mit Wandel und Umbrüchen würdigen. Verbunden sind damit Investitio­nen von bis zu 200 Millionen Euro. 200 Arbeitsplä­tze könnten entstehen. Hoff verwies auf die zentrale Lage Jenas und die hervorrage­nde Verkehrsan­bindung in alle vier Himmelsric­htungen. Außerdem partizipie­re Thüringen im Vergleich zu Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenbur­g bislang nur in sehr geringem Maß von den Strukturmi­tteln für Kohleregio­nen.

Seit Anfang Juli läuft der Standortwe­ttbewerb für das Zukunftsze­ntrum, für den auch andere ostdeutsch­e Städte ihren Hut in den Ring geworfen hatten. Unter anderem Magdeburg, Frankfurt/Oder und Leipzig zeigten Interesse. Eine Entscheidu­ng wird 2023 erwartet.

In Bezug auf die nicht zum Zuge gekommenen beiden Thüringer Städte betonte Hoff, das Kabinett habe Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) gebeten, auf Bundeseben­e die Potenziale von Eisenach und Mühlhausen „für die Ansiedlung weiterer Bundesinst­itutionen vehement zu unterstrei­chen“.

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