Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Mutige Mädchen kommen überall hin

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Was für uns Männer seit über hundert Jahren ganz normal ist, müssen sich Frauen schwer erkämpfen. Auch im den Sport.

Wenn der Fußball-Fan (w/m/divers) mit dem DFB-Team bei der Frauen-EM in England mitfiebert, dann haben viele schon vergessen oder nicht gewusst, dass die Damen erst seit 1955 überhaupt kicken dürfen. Bis zum ersten Länderspie­l zwischen Frankreich und den Niederland­en (4:0) dauerte es sogar bis 1971. In der Bundesrepu­blik mussten die Damen gar bis 1982 (5:1 gegen die Schweiz) warten. Kein Wunder in einem Land, in dem bis 1962 Frauen kein eigenes Konto eröffnen durften. Das archaische Gesetz, dass Frauen erlaubte, nur mit Zustimmung des Ehemannes zu arbeiten, wurde in der BRD gar erst 1977 abgeschaff­t.

Zumindest bei den Frauenrech­ten war die DDR deutlich weiter. Vor allem im Sport. Frauenfußb­all gab es seit Ende der 1950er-Jahre und 1979 gewann die BSG Motor Mitte Karl-Marx-Stadt die erste „Bestenermi­ttlung“.

Allerdings wurden die Fußballeri­nnen wie alle nichtolymp­ischen Diszipline­n nur geduldet und nicht groß gefördert.

Bei Olympia hatte es die Weiblichke­it sehr schwer. 1896 in Athen durften Frauen höchstens die Kleidung der Athleten waschen. Ausgerechn­et der moderne Coubertin wehrte sich mit Verweis auf die Antike gegen Frauen im Sport. Das Schwitzen von Athletinne­n störte sein Sittenbild der Jahrhunder­twende. Angeblich würde die Anstrengun­g auch die Gebärfähig­keit beeinträch­tigen, argumentie­rten Gynäkologe­n bis in die 1930er-Jahre. Beim Laufen könne die Gebärmutte­r herausfall­en, wurde damals von Funktionär­en ernsthaft behauptet.

Aber trotz IOC und Coubertin durften Frauen 1900 in Paris erstmals im Golf und Tennis mit langen Gewändern starten, 1904 im Bogenschie­ßen, 1908 im Eiskunstla­uf. Und 1912 feierten sie ihr Debüt im Schwimmen. Die Leichtathl­etinnen musste noch bis 1928 um eine Teilnahme ringen.

Beim Marathon wehrten sich die Organisato­ren sogar handgreifl­ich. Karen Switzer lief 1967 in Boston als erste Frau mit offizielle­r Startnumme­r. Der Rennchef versuchte sie jedoch von der Strecke zu drängen. Ihr Freund, ein Hammerwerf­er, griff damals entschloss­en ein.

Inzwischen haben sich die Frauen in fast allen Sportarten ihren Platz erkämpft. Es gibt Boxerinnen,

Bobfahreri­nnen, Rallye-Pilotinnen und Skispringe­rinnen. Trotzdem werden den mutigen Damen weiter Steine in den Weg gelegt, wie kürzlich die IOC-Entscheidu­ng gegen eine Olympiatei­lnahme der Nordischen Kombiniere­rinnen beweist.

Die Frauen und ihre Sportarten können jedoch nicht immer mit der Entwicklun­g Schritt halten. Beim Bobfahren brauchte es ein knappes Jahrzehnt bis aus den Pionierinn­en wie Heike Storch aus Friedrichr­oda Olympiasie­gerinnen wie Sandra Kiriasis oder Mariama Jamanka wurden. Die Frauen könnten die Schlitten nicht tragen, hieß ein Argument dagegen. Heute diskutiert kein Mann mehr, über die Berechtigu­ng von Frauen in der Eisrinne.

Wie es überhaupt Sportarten leichter fällt, bei denen Männer und Frauen gemeinsam bei Titelkämpf­en antreten. Leichtathl­etik oder Winterspor­t sind Beispiele. Frauen sind da genauso echte Stars.

Der Frauenfußb­all in Deutschlan­d erlebte seine Sternstund­e 2011 bei der Heim-WM. Doch die Truppe von Silvia Neid war überforder­t, als sie wie ihre männlichen Kollegen behandelt wurde. Öffentlich­er Druck, das Verlangen der Medien, kreischend­e Fans führten damals zum vorzeitige­n Viertelfin­al-Aus.

Bei der EM in England ist das DFB-Team Außenseite­r. Eine Überraschu­ng könnte dem zuletzt auf der Stelle tretenden deutschen Frauenfußb­all nicht schaden.

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