Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Wer ist Gott? Wo? Und warum?
„Religion ist nichts, was im Himmel passiert, Religion besteht aus lauter praktischen Angelegenheiten. Aber es muss noch um etwas anderes gehen.“Denn ein anständiger Mensch kann man auch ohne Gott werden. Also entwirft Schriftsteller Navid Kermani einen Dialog darüber, wer Gott ist, wo und warum – mit seiner zwölfjährigen Tochter, die vieles hinterfragt und infrage stellt.
Für den vielfach ausgezeichneten Kölner, dessen Familie in den 1950er Jahren vor dem Regime des Schah aus Persien floh, ist es selbstverständlich der Gott des Islam, da er in eine muslimische Familie hineingeboren wurde. Wäre er in einer christlichen aufgewachsen, wäre er Christ, sagt er. Dennoch ist Religion für ihn nicht beliebig, aber jeweils Teil einer bestimmten Kultur, die wiederum von der ihr zugehörigen Religion geprägt ist.
Gott ist für ihn mit allen Sinnen erfahrbar, eine Wesenheit, die überall ist. Kermani zeigt das mit Zitaten aus dem Koran in der wunderbaren Übersetzung des deutschen Dichters Friedrich Rückert aus dem 19. Jahrhundert. Und erklärt mit einem Ausflug in die Naturwissenschaften, dass Quantenphysiker und Astronauten
ebenso von einer inneren Welt überzeugt seien, die das Äußere zusammenhält, auch wenn sie es nicht Gott nennen.
Einfach und verständlich legt Kermani seine Überzeugungen dar, seine Zweifel und die Gewissheit, dass es die eine richtige Religion nicht gibt – aber dass der Glaube in jedem Menschen angelegt ist.
Kermani vermittelt ebenso ernst wie selbstironisch, wie überlebenswichtig ihm sein Glaube ist, und wie wichtig er es findet, die eigenen religiösen Wurzeln zu kennen. Im NDR-Interview sagt er: „Ich glaube, dass es zur Freiheit gehört, auch zur Freiheit des Unglaubens, dass man Religion kennt. Was wir unseren Kindern nehmen, wenn wir ihnen keine religiöse Bildung zukommen lassen, ist … die Freiheit, [sich] gegen die Religion zu entscheiden.“