Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Von der Ringermatt­e aufs Hausboot

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„Er war immer wieder hier und hat Urlaub mit und bei der Familie gemacht“, sagt Lothar Ettingshau­sen über Heinz-Helmut Wehling. Die Erinnerung an den olympische­n Silbermeda­illen-Gewinner von 1972 sind bei dem Kumpel aus Oldisleben und den Weggefährt­en vom AC Germania Artern noch frisch. Ettingshau­sen war mit dem einstigen Ausnahme-Ringer eng verbunden, war doch seine Frau die Cousine.

„Heinz ist so ein anständige­r Mann, den musste man einfach gerne haben. Er war hier zuhause immer willkommen. Streiten konnte man sich mit ihm eigentlich nie. Er war ein richtig Ruhiger und hat imschon mer gute Laune verbreitet, bis heute“, beschreibt Ettingshau­sen.

Wehling kam durch seinen Vater und Onkel zum Kampfsport. Aber früh in der Kindheit ging es an die Ostsee; nach Rostock zum ASK Vorwärts, wo er das Ringen erlernte. Schnell war klar, aus dem Jungen wird was, erzählte man sich im Arterner Ringerhaus. Und mit 20 Jahren schaffte Wehling den Sprung in die Nationalma­nnschaft. Nur ein Jahr später, im Jahre 1971, wurde es auf Anhieb der Europameis­tertitel – der internatio­nale Durchbruch für den heute 71-Jährigen.

1972 schnuppert­e er zum ersten Mal olympische Luft. Rüber in den Westen, nach München. Ein Privileg, das sonst kaum einer der alten Wegbegleit­er hatte. Bei seinem Olympia-Debüt holte er gleich Silber im griechisch-römischen Stil. Im Finale musste er sich nur dem

Bulgaren Markow geschlagen geben. Für Wehling ein gefühlter Sieg, wie Ettingshau­sen erzählt: „Für ihn war der Finalkampf gewonnen. Aber das steht auf einem anderen Blatt; und heute ist es müßig, darüber zu debattiere­n.“

19 Kämpfer gingen damals an den Start im Federgewic­ht (bis 62 Kilogramm). Ein hartes Programm, ehe Wehling am 10. September, zwei Tage nach seinem 22. Geburtstag, auf dem Podest stand.

Vier Jahre später wurde es im kanadische­n Montreal die Bronzemeda­ille. 1980 in Moskau sollten seine dritten Spiele sein, aber daraus wurde nichts. Die Leistungen waren nicht mehr dementspre­chend; da halfen auch mehrere DDR-Meistertit­el

sowie Vizemeiste­rtitel nicht.

1979 kehrte Wehling im Auftrag des Sports noch einmal nach Artern zurück. Bei den DDR-Meistersch­aften im klassische­n Ringkampf wurden fleißig Autogramme geschriebe­n und Fotos gemacht. Das hat sich damals auch Arterns RingerLege­nde Gerd Pillep nicht nehmen lassen. Und Ettingshau­sen erinnert sich auch gern an die gemeinsame­n Feste: „Wir waren einmal im Hotel Neptun in Rostock dabei und wussten gar nicht, was wir zuerst essen sollten“, meint er lachend.

In den 1980er-Jahren wurde es ruhiger um Wehling. Er widmete sich mehr und mehr der Schifffahr­t. Vor gut zehn Jahren kehrte er Deutschlan­d den Rücken, verkaufte sein

Haus in Trier, gab die Physiother­apiepraxis auf und zog nach Montenegro. Als gelernter Schiffsmas­chinenschl­osser und heutiger Kapitän war das Wasser sein Element. Und so verwundert es nicht, dass er heute mit Frau Monika, der Schwester von Dresdens Fußballer Hartmut Schade, auf einem Hausboot lebt. Einmal im Jahr trifft sich die Familie irgendwo in Deutschlan­d. Zuletzt war es der Spreewald. Wo es dieses Jahr ist, weiß Ettingshau­sen noch nicht. Ein Grund mehr, mal wieder in Montenegro anzurufen.

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