Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Hoffnung für Hund Pan und ein Rollstuhl für Lämmchen Erik
Junge Frau eröffnet in Weißenborn eine Physiopraxis für Tiere und erfüllt sich damit einen Berufstraum
Sigrid Aschoff
Pan sitzt auf einer Decke und schaut Jacqueline Streicher mit großen treuen Augen an. Und so ist auf den ersten Blick auch noch nicht offensichtlich, welches Leid dem einjährigen Mischlingshund aus Bulgarien widerfahren ist. Auf den Hinterbeinen kann Pan nicht stehen, und laufen kann er daher auch nicht. Das Tier zeigt Lähmungserscheinungen. „Die Ursache ist unklar. Es könnte ein Unfall oder eine Misshandlung gewesen sein, vielleicht ein Schlag auf den Rücken“, sagt die 24-Jährige und streicht dem Hund liebevoll über das Fell.
Doch das ist nicht das Einzige, was die junge Weißenbornerin für Pan tut. Gerade hat sie in ihrem Heimatdorf eine Praxis für Physiotherapie und Osteopathie für Tiere eröffnet.
Jacqueline Streicher ist gelernte Tierarzthelferin. Doch selbstständig mit Tieren arbeiten, ihnen helfen, das war schon lange ihr Wunsch. Verantwortung wollte sie übernehmen und so auch mehr Kontakt zu den Tieren und den Menschen haben. Da es auf diesem Feld verschiedene Ausrichtung gibt, brauchte es etwas Zeit für die endgültige Entscheidung. Als die jedoch feststand, absolvierte die Eichsfelderin parallel eine Fortbildung in den Bereichen Physiotherapie und Osteopathie.
Ein leerer Laden eröffnet neue Möglichkeiten
Vor drei Jahren gab es dann den ersten Schritt in Richtung Selbstständigkeit. „Zuerst war ich mobil unterwegs, bin zu den Leuten und ihren Tieren gefahren“, erzählt sie. Der Umkreis war groß, die Pferde in diesem gut versorgt. „Doch für Hunde gab es in einem Radius von 60 Kilometern nichts“, erzählt die Weißenbornerin.
Als dann noch ein Ladengeschäft in ihrem Wohnhaus frei wurde, musste Jacqueline Streicher nicht mehr lange überlegen und eröffnete vor kurzem ihre eigene Praxis, in der nun Hunde, Katzen, Pferde, Ziegen und Schafe willkommen sind. Auch ein Ferkel wurde dort schon behandelt. Derzeit kommen ihre tierischen Patienten aus dem Raum Niedersachsen, dem Harz, aus Heiligenstadt oder
Weißenborn.
Die Krankheitsbilder der Vierbeiner sind vielfältig. Da gibt es Hunde, die nach einer Operation wegen eines Kreuzbandrisses Hilfe brauchen wegen eines Bandscheibenvorfalls, oder ältere Vierbeiner mit Arthrose. Junge Hunde plagen sich derweil unter anderem mit Gelenkfehlstellungen. „Rückenprobleme nehmen auch bei ihnen zu“, sagt Jacqueline Streicher. Derweil schaut sie bei Pferden, wo beispielsweise eine Wesensveränderung oder andere Auffälligkeiten ihre Ursache haben.
„Vor einer Behandlung steht immer erst eine Beratung“, erzählt sie. Und so hört der Besucher in der Praxis mitten in dem Eichsfelddorf Begriffe wie klassische Massage, manuelle Lymphdrainage, Bewegungsoder
Göttingen nach
Lasertherapie, Narbenbehandlung oder stationärer RehaPlatz. Letzteren gibt es jetzt in der Praxis. Er ermöglicht eine intensive Betreuung und Behandlung von Tieren, deren Besitzer den hohen Zeitaufwand in der Rehabilitationsphase nicht bewältigen können.
Während Jacqueline Streicher über ihren Alltag spricht, schweift ihr Blick über die „Patientenfotos“, die an der Wand hängen. Eines davon zeigt Lämmchen Erik. Geboren mit einer Beinfehlstellung hatte es der Kleine, was Laufen angeht, nicht leicht. Jetzt hat Erik einen Hunde-Rollstuhl als Hilfsmittel, der ihn unterstützt. Und tatsächlich funktioniert es mit der Fortbewegung wieder. Noch allerdings ist nicht entschieden, ob Erik ihn Zeit seines Lebens brauchen wird oder sich eine andere Lösung findet.
„Patientenfotos“erzählen von traurigen Schicksalen
An das Lämmchen wird sich die Weißenbornerin noch lange erinnern. Besonders ins Herz geschlossen hat sie allerdings auch einen Ridgeback, der einen Bandscheibenvorfall zwischen dem zweiten und dritten Halswirbel hatte. Das Tier war gelähmt, konnte nur ein kleines bisschen den Kopf bewegen.
„Nach sechs Wochen Therapie machte der Hund den ersten Schritt. Heute ist er zwar noch immer etwas wackelig auf den Beinen, aber damit kann er gut umgehen“, erzählt die 24-Jährige.
Und gibt es einen Wunsch für die Zukunft, den Jacqueline Streicher hat? „Eigentlich habe ich mir meine großen Wünsche bereits erfüllt, zum Beispiel den mit einer eigenen Praxis, der Tierstation für Intensivfälle oder dem Unterwasserlaufband“, meint sie und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, die Augen leuchten.
Viel Zeit zum Plaudern bleibt jetzt allerdings nicht, denn Pan braucht noch etwas Bewegung, und im Wartebereich sitzt eine Frau mit ihrem tierischen Begleiter, der dann die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird.
Vor einer Behandlung steht immer erst eine Beratung. Jacqueline Streicher Betreiberin einer Praxis für Physiotherapie und Osteopathie bei Tieren