Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Das Stigma, psychisch krank zu sein
Der Jenaer Klinikdirektor Martin Walter klärt über Vorbehalte auf und gibt Tipps zum richtigen Umgang mit Betroffenen
Ulrike Merkel
Psychisch Kranke werden oft stigmatisiert. Aber was lässt die Gesellschaft eigentlich so negativ reagieren?
Martin Walter, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Jena, klärt hier über Vorurteile und Irrtümer auf. belastbar“, erklärt der Klinikdirektor. „Wir wissen aber, dass das falsch ist.“
• Menschen mit gewissen psychischen Auffälligkeiten sind gefährlich. „Dieses Vorurteil hält sich hartnäckig“, sagt Martin Walter, „obwohl das in der Regel nicht der Fall ist“.
• Schuld hat ein Elternteil, zum Beispiel hat die Mutter früher etwas falsch gemacht. „Da ist man heute auch weiter“, weiß der Jenaer Psychiater.
• Eine psychische Erkrankung ist genetisch festgelegt, deshalb kann man dagegen nichts tun.
Das ist laut Walter sogar der größte Irrtum. „Genetisch wird nur das Risiko vererbt, über den Ausbruch entscheidet aber auch die Umwelt, und biologische Faktoren legen eine medizinische Lösung ja auch nahe.“
Gefahr der Selbststigmatisierung
Ein Teil der Betroffenen gesteht sich aus Scham lange die Erkrankung nicht ein. „Wer jedoch seine psychische Problematik verdrängt, verschleppt sie“, sagt Professor Walter. Darüber hinaus schadet die gesellschaftliche Stigmatisierung dem Selbstwertempfinden Betroffener, denn der Betroffene fühlt sich im Empfinden der Entwertung bestätigt.
Vorurteile gegenüber Therapieformen
sollte jeder einzelne seine Wortwahl überdenken, denn negative oder unüberlegte Äußerungen bestärken Betroffene, im Verborgenen zu bleiben, sich nicht zu öffnen. Psychisch kranken Menschen rät der Experte, wenn nötig, Hilfe in Selbsthilfegruppen zu suchen.