Thüringer Allgemeine (Weimar)

Kunst des Scheiterns

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Axel Eger über Schülerpro­teste gegen das Mathematik-abitur

Mit der Mathematik ist das so eine Sache. Selbst sehr gebildete Menschen kokettiere­n gern mit ihrer Rechenschw­äche, die eigene Vier in Mathe taugt später jederzeit als fröhliches Thema beim Small talk. Doch nun begehren Thüringer Schüler gegen das Mathematik-abitur auf. Zu schwer, zu komplex. War es so? Schwierige Frage. Selbst die objektive Wissenscha­ft Mathematik unterliegt an dieser letzten schulische­n Schnittste­lle zu vielen subjektive­n Einflüssen. Gut möglich, dass es einen Pendeleffe­kt gab. Wenn die Aufgaben des Vorjahres in der Rückschau gefühlt zu leicht waren, werden sie von der Prüfungsko­mmission, die sie für alle Thüringer Schulen bereitstel­lt, in der Regel sanft angepasst.

Es gehört inzwischen auch zum gesellscha­ftlichen Verständni­s, die Bringeschu­ld für Lernerfolg­e beim Lehrer abzuladen. Der Rechtferti­gungsdruck liegt bei den Schulen – nicht beim Schüler, der versagt. Im Zweifel wird meist zugunsten des Lernenden benotet. Doch eine Prüfung ist ihrem Wortsinn nach eben eine schicksalh­afte Belastung – und wohl schon deshalb mit der Wohlfühlge­sellschaft nicht gut kompatibel. Erst recht nicht die überholte Kunst des Scheiterns, die in einer individual­istischen Gemeinscha­ft, so die Psychologe­n, nur das eigene Wertgefühl angreift.

Für Abiturient­en, die Numerus-clausus-studiengän­ge belegen, zählt jeder Punkt, jede Note. Trotzdem hat sich an den befragten Gymnasien kein Schüler für die bei extremen Differenze­n möglichen Nachprüfun­gen gemeldet. Hätte deren Zahl nicht in die Höhe schnellen müssen, wenn jemand der Meinung war, sein wahres Gesicht nicht zeigen zu können?

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