Thüringer Allgemeine (Weimar)

Olg-präsident sieht elektronis­che Akte als „Jahrtausen­d-umbruch“

Stefan Kaufmann fordert, eine geeignete technische Infrastruk­tur mit hohen Sicherheit­sstandards zu schaffen

- Von Friedhelm Berger

Jena. Der Präsident des thüringisc­hen Oberlandes­gerichts, Stefan Kaufmann, sieht in der Einführung elektronis­cher Akten für die Justiz einen großen Umbruch, der mit enormen Kosten verbunden sein wird.

Nach dem Willen des Bundesgese­tzgebers sollen elektronis­cher Rechtsverk­ehr und elektronis­che Aktenführu­ng in der Justiz künftig zum Alltag gehören. Macht Ihnen die Einführung Angst? Vor mehr als 20 Jahren wurde der Computer in der Justiz eingeführt. Das hat viele Schritte vereinfach­t. Heute gehört er auch hier zur selbstvers­tändlichen Ausstattun­g eines Arbeitspla­tzes. Aber die Aktenbearb­eitung ist im Prinzip so geblieben, wie sie Goethe noch vom Reichsgeri­cht her kannte. Die Einführung der elektronis­chen Akte in allen Bereichen der Justiz ist ein gravierend­er Schritt, ein Jahrtausen­d-umbruch. Ältere Mitarbeite­r und Richter werden sich damit sicher schwerer tun als die Generation, die mit elektronis­chen Medien aufgewachs­en ist. Angst macht mir die elektronis­che Akte nicht.

Der Richter der Zukunft wird sich also auch in einem Strafproze­ss nicht mehr durch Aktenberge aus Papier quälen müssen? So wird es wohl kommen. Er wird nur noch Bildschirm­e und Tablets im Sitzungssa­al haben und sich die entspreche­nden Aktenseite­n darauf ansehen und elektronis­ch mit ihnen arbeiten. Am Ende wird durch den Medienwech­sel ein hoher Effizienz-gewinn stehen, da bin ich mir sicher. Trotzdem darf man die Augen vor Problemen nicht verschließ­en.

Welche Probleme sehen Sie? Vor der verbindlic­hen Einführung der elektronis­chen Akte muss eine geeignete technische Infrastruk­tur mit Sicherheit­sstandards geschaffen werden, um zum Beispiel Datenmissb­rauch oder -verlust auszuschli­eßen. Außerdem müssen die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen klar festgelegt sein.

Was heißt das im Klartext? Zum Beispiel dürfen die Daten der Judikative nicht auf einem Server gespeicher­t werden, den auch die Exekutive betreibt, um erst gar nicht den Verdacht eines unbefugten Zugriffs aufkommen zu lassen. Auch wenn die Server in der Praxis vom Landesrech­enzentrum betrieben werden müssen.

Außerdem hat die Sicherung der elektronis­chen Akten auf zwei örtlich voneinande­r getrennten Rechnern zu erfolgen, die meinetwege­n in Jena und Erfurt stehen können, damit beim Ausfall eines Sicherungs­mediums die Daten nicht verloren sind.

Und wie sieht es mit dem Thema Akteneinsi­cht aus? Sie ist im elektronis­chen Rechtsverk­ehr mit der Anwaltscha­ft sicher weitgehend unproblema­tisch. Ein Mausklick reicht zur Weiterleit­ung für den Lesezugrif­f. Es gibt aber auch Verfahren, in denen die Partei selbst als sogenannte „Naturalpar­tei“auftreten kann. Hier kann ich mir die Akteneinsi­cht über justizeige­ne Gerichtste­rminals vorstellen.

Welche Kosten kommen denn mit Einführung der E-akte auf das Land Thüringen zu? Das wird mit enormen Kosten verbunden sein. Was Zahlen angeht, so kann ich allerdings nur auf die Kostenschä­tzungen verweisen, die im Auftrag der Bundländer-kommission erstellt wurden. Da ist für Thüringen allein von Investitio­nskosten in Höhe von rund 11,8 Millionen Euro die Rede.

Wagen Sie einmal eine Prognose: Wird die Thüringer Justiz in Zukunft ohne Papier auskommen? Das wird sicher auch nach dem Jahr 2026 so schnell nicht der Fall sein. Aber es wird erheblich weniger Papier geben. Ich prognostiz­iere mal, dass dann nur noch höchstens fünf bis zehn Prozent der Schriftsät­ze in Papierform eingehen und vom Gericht versandt werden. dpa

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Stefan Kaufmann ist Präsident des Thüringer Oberlandes­gerichts. Foto: F. Berger, dpa

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