Eklat um Gebietsreform-klage: Druck auf Carius wächst
Rot-rot-grün wirft Landtagspräsidenten Beihilfe bei Manipulation vor. Sondersitzung des Ältestenrats
Erfurt.
Wegen angeblicher Manipulationen an der Stellungnahme zu einer Gebietsreformklage greifen die Thüringer Koalitionsfraktionen Landtagspräsident Christian Carius (CDU) an. „Das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Parlamentsverwaltung ist erschüttert“, sagte gestern Spd-fraktionschef Matthias Hey der Thüringer Allgemeinen. „Und an der politischen Spitze der Verwaltung steht nun mal der Präsident.“
Carius habe das Papier abgezeichnet, aus dem entscheidende Passagen gestrichen worden seien, sagte Hey. „Ich will wissen, wie das ablief. Am Ende ist Carius der Chef, deshalb muss er den Vorgang aufklären.“
Die linke Landes- und Fraktionsvorsitzende Susanne Hennig-wellsow sagte, dass laut den bisher vorliegenden Unterlagen die Landtagsdirektorin „die treibende Zensorin“gewesen sei. Deshalb sollte sie zurücktreten oder in den Ruhestand versetzt werden. Welche Verantwortung Christian Carius trage, werde er im Ältestenrat darlegen müssen, sagte sie gestern der TA.
Der grüne Fraktionschef Dirk Adams bezeichnete die bisherigen Erklärungsversuche von Carius als „ungeheuerlich“. Anders als vom Parlamentspräsidenten dargestellt, sei der Vorgang „alles andere als üblich“. „Abgeordnete müssen sich blind auf eine neutrale Verwaltung verlassen können“, sagte Adams. „Im konkreten Fall wären wir damit verlassen gewesen.“
Anlass des Streits ist eine Stellungnahme der Landtagsverwaltung. Sie befasst sich mit der Organklage der Cdu-fraktion, die sie beim Verfassungsgericht gegen das Vorschaltgesetz zur Gebietsreform eingereicht hat (siehe Infokasten).
Die Koalitionsfraktionen behaupten, dass Landtagsdirektorin Birgit Eberbach-born (CDU) auf mehreren Seiten des 36-seitigen Papiers ganze Passagen strich, welche die rot-rotgrüne Position stärkten.
Auch Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) meldete sich am Wochenende per Twitter, allerdings mit Fragezeichen: „Unglaublicher und einmaliger Versuch politischer Manipulation durch die Thüringer Landtagsdirektorin?“
Carius wies die Vorwürfe zurück. Bei der „vermeintlichen Zensur“handele sich um übliche Veränderungen „im Arbeitsgang“, teilte ein Sprecher mit. Der Präsident selbst schlug eine Sondersitzung des Ältestenrats vor, um „alle offenen Fragen zu diskutieren“.
Unterstützung für Eberbachborn kam von einem ihrer ehemaligen Amtskollegen. „Es ist normale Praxis, dass in einer hierarchischen Verwaltung die Direktorin das letzte Wort hat – und es sich auch nimmt“, sagte der frühere rheinland-pfälzische Landtagsdirektor Lars Brocker der TA. Er selbst habe dies ebenso gehandhabt. Auch der wissenschaftliche Dienst agiere weisungsgebunden. Brocker ist Präsident des Koblenzer Oberverwaltungsgerichts und des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshofs.
Unionsfraktionschef Mike Mohring begrüßte Carius‘ Angebot, sich dem Ältestenrat zu stellen. „Rot-rot-grün muss begreifen, dass man nicht mit Mehrheit entscheiden kann, wie die Landtagsverwaltung zu arbeiten hat“, sagte er.