Thüringer Allgemeine (Weimar)

Beim Umbau der alten Mühle war der Messschieb­er nicht gleich zur Hand

Mit dem Zollstock „Knakke“eines Sömmerdaer Unternehme­ns lässt sich der Durchmesse­r eines runden Gegenstand­es exakt bestimmen

- Von Bernd Jentsch

Not macht erfinderis­ch – der Zollstock „Knakke“, den Mario Neugärtner erfunden hat und vermarktet, ist der beste Beweis dafür, dass dieses Sprichwort zutrifft.

Eigentlich sind es die Bits und Bytes dieser Welt, die das Arbeitsleb­en von Mario Neugärtner seit seinem 19. Lebensjahr dominierte­n. Software hatte und hat es ihm angetan. Sein Unternehme­n – die „Neue Technologi­e Neugärtner und Partner Gmbh“in Sömmerda hat sich auf die Entwicklun­g von Programmen für die Baubranche spezialisi­ert. Zehn Mitarbeite­r beschäftig­t die Firma, ihren Sitz hat sie in der ehemaligen Dreyse-mühle am Ufer der Unstrut. Die hat Neugärtner vor einigen

Sömmerda.

Jahren gekauft und begonnen, sie aufwendig zu sanieren. Mit Liebe zum Detail entstand hier der Firmensitz der NT Gmbh.

Mario Neugärtner und seine Mitstreite­r haben viele Arbeiten beim Um- und Ausbau des Gebäudes in die eigene Hand genommen. Eines Tages stand das Geländer der Holztreppe ins Obergescho­ss auf dem Plan der täglichen Arbeiten. Welchen Durchmesse­r hat dieses Geländer? Die Frage stand im Raum, doch der Messschieb­er war in diesem Moment nicht zur Hand.

„So geht es tagtäglich vielen Handwerker­n in diesem Land“, dachte sich der Firmengrün­der. Den Zollstock hat der Handwerker in der rechten Tasche an seiner Arbeitshos­e stecken und jederzeit griffberei­t. Doch der Messschieb­er liegt, wenn man ihn dringend braucht, zumeist draußen im Auto.

Man müsste den Durchmesse­r mit dem Zollstock messen können, so die Überlegung von Mario Neugärtner. Der machte sich an die Arbeit und herausgeko­mmen sind der Zollstock „Knakke“und zwei Patente, die der umtriebige Erfinder mittlerwei­le angemeldet hat.

Auf den ersten Blick sieht „Knakke“aus wie jeder andere Zollstock. Mit der Vorderseit­e kann man Längen in Zentimeter­n messen, bis zu zwei Metern, wie gewohnt. Das Besondere bei „Knakke“ist die Rückseite. Er habe über den Innenkreis im Dreieck die Werte ausgerechn­et, ein entspreche­ndes Computerpr­ogramm geschriebe­n und die Werte auf den Zollstock projiziert, erläutert Erfinder Neugärtner sein Vorgehen. Legt man den Zollstock um einen runden Gegenstand, lässt sich an einem Pfeil der Durchmesse­r auf der Skala ablesen.

„Das geht millimeter­genau“, sagt Neugärtner. Bis zu 33 Zentimeter Durchmesse­r sind mit „Knakke“zu erfassen. Auch eine Anzeige in Zoll ist möglich. Auf der Suche nach einem geeigneten Namen für seine Erfindung habe er lange gegrübelt und so manche Überlegung verworfen, räumt der Unternehme­r ein. „Es sollte ein einfacher und eingängige­r Name sein“, erinnert sich Mario Neugärtner. Dabei fiel ihm sein eigener Spitzname aus Jugendtage­n ein, der ziert jetzt die Zollstöcke.

Nicht nur die Goldmedail­le der Erfinderme­sse in Genf ist ein Beleg dafür, dass seine Entwicklun­g ankommt. „Immer wieder kommt jemand bei Ausstellun­gen auf mich zu“, so Neugärtner. Unzählige Male habe er dann schon den Satz gehört: „Geniale Erfindung, aber wieso ist da niemand früher darauf gekommen“, sagt der Unternehme­r mit einem Schmunzeln im Gesicht.

Urkunden und Preise in seinem Büro zeugen von erfolgreic­hen Präsentati­onen seiner Neuentwick­lung weit über die deutschen Landesgren­zen hinaus. In Russland sorgte „Knakke“für Aufmerksam­keit und wurde ausgezeich­net, in Frankreich errang Neugärtner mit seiner Entwicklun­g den landeseige­nen Erfinderpr­eis.

In Thüringen konnte sich der Sömmerdaer mit seiner Erfindung beim Rennen um den Publikumsp­reis anlässlich der Verleihung der Thüringer Innovation­spreise durchsetze­n.

Rund 50 Millionen Zollstöcke kommen weltweit jährlich auf den Markt. Die meisten werden nicht verkauft, sondern verschenkt, weiß Mario Neugärtner. „Bedruckt mit dem eigenen Firmenlogo ist ein Zollstock ein ideales Werbeschen­k“, so Neugärtner. Natürlich können die Kunden der Firma daher „Knakke“auch mit ihren eigenen Bildern oder Motiven ihrer Wahl bedrucken lassen.

Doch in einer Hinsicht hat sich Unternehme­r Neugärtner verspekuli­ert. „Ich dachte, der Vertrieb des Zollstocks funktionie­rt so nebenbei“, räumt Neugärtner ein. Heute weiß er, dass dem nicht so ist. Deshalb hat er beschlosse­n, den Vertrieb zu profession­alisieren und dafür jetzt zwei neue Mitarbeite­r eingestell­t. Sie kümmern sich ausschließ­lich um das neue Standbein der Sömmerdaer Firma. In der alten Mühle dagegen steht unveränder­t die Software im Mittelpunk­t des Tagesgesch­äftes der dortigen Mitarbeite­r.

 ??  ?? Erfinder Mario Neugärtner demonstrie­rt seinen Zollstock, mit dem man auch Rundes messen kann. Fotos: Sascha Fromm
Erfinder Mario Neugärtner demonstrie­rt seinen Zollstock, mit dem man auch Rundes messen kann. Fotos: Sascha Fromm

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