Thüringer Allgemeine (Weimar)

Mehr Schein als Sein

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Schuhe gebunden, Jacke an, Schlüssel steckt und plötzlich vibriert das Handy. Eine neue Nachricht. „Ich brauche leider fünf Minuten länger.“Gestiefelt und gespornt steht man jetzt an der Tür und überlegt, losgehen oder doch lieber noch einmal ausziehen, um entspannt zu warten. Denn wer weiß, ob es wirklich bei den besagten fünf Minuten bleibt?

So zumindest stelle ich mir die Situation beim Empfänger meiner Nachricht vor, wenn ich schreibe, dass ich es wieder einmal nicht pünktlich schaffe. Es ist schier unmöglich, zumindest bei privaten Treffen mit Freunden, zur verabredet­en Zeit aufzulaufe­n. Irgendwas ist immer. Und wenn es nur die Frage der Kleidung oder der Schuhe ist. Auch das Sonnenbade­n auf der Terrasse beeinfluss­t mein Zeitmanage­ment erheblich. Natürlich könnte man all das im Vorfeld bedenken. Könnte.

Aber ganz problemati­sch wird es, wenn ich eine Nachricht bekomme, ob ich schon los bin. Aus Scham schreibe ich wieder: „Ich bin unterwegs.“Ja, unterwegs – mit dem Badetuch umwickelt vom Bad zum Schlafzimm­er, um Hose und Shirt zu suchen. Es wird wohl mal wieder später, da hilft auch keine weitere Nachricht mit: „Ich beeile mich.“

Hand aufs Herz: Diese Nachrichte­n sind meist mehr Schein als Sein. Denn wer gibt gerne zu, wieder gebummelt oder kein Zeitgefühl zu haben? Da wird der Spruch: „Pünktlichk­eit ist eine Zier, besser lebt’s sich’s ohne ihr“fast zur Entschuldi­gung.

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Antonia Pfaff über Verspätung­snachricht­en

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