Thüringer Allgemeine (Weimar)

Luther vom Sockel holen – ohne ihn und seine Ideen zu verlieren

Wie Bodo Ramelow, Linker, Ministerpr­äsident und evangelisc­her Christ, den „Kirchentag auf dem Weg“und das Reformatio­nsjubiläum einordnet

- Von Volkhard Paczulla

Erfurt.

Er freue sich, zum Feiertag in dieser Woche „auf viele fröhliche Menschen zu treffen“.

Bodo Ramelow (Linke), Thüringer Ministerpr­äsident, meint damit keineswegs die feuchtfröh­lichen Vatertagsw­anderer. Als er sich einmal angesichts mehrerer Todesfälle nach Saufgelage­n dafür aussprach, Christi Himmelfahr­t besser als einen Feiertag der stilleren Art zu begehen, hätte ihn die eigene Partei am liebsten gesteinigt.

Nein, Ramelow meint die fröhlichen Christen, die von Donnerstag bis Sonntag die Erfurter Innenstadt fluten werden. Zum „Kirchentag auf dem Weg“, der gleich sechsmal in acht Orten zeitgleich zum bundesweit­en Evangelisc­hen Kirchentag in Berlin stattfinde­n wird. Der Regierungs­chef will als bekennende­r Protestant an Veranstalt­ungen in Erfurt, Jena und in Berlin teilnehmen.

225 Konzerte, Vorträge, Diskussion­sveranstal­tungen, Gottesdien­ste, Künstlerbe­gegnungen und ein öffentlich­er Glockengus­s warten auf Besucher der Landeshaup­tstadt. Seit zweieinhal­b Jahren bereiten sie dieses Angebot vor, sagen die Veranstalt­er, die auch Nichtchris­ten willkommen heißen. Nach Ramelows Worten ist der Kirchentag in erster Linie wichtig für Menschen, die ihren Glauben leben und auch nach außen tragen wollen. Der Staat sei hier quasi nur Beisteller, der die Logistik mit absichern hilft. Und ja, die wiederkehr­ende Debatte, ob Kirchentag­e mit öffentlich­em Geld zu unterstütz­en seien, müsse geführt werden. Eben weil der Glaube kein Ding ist, in das man oben zwei Euro reinsteckt und unten fällt das Seelenheil raus. Gerade dagegen habe Luther aufbegehrt und vor 500 Jahren die Reformatio­n in Gang gesetzt.

In die Vorbereitu­ng des Jubiläumsj­ahres habe der Freistaat Thüringen weit über 50 Millionen Euro investiert. Aber die Wirkung werde noch weit nach 2017 spürbar sein. So präsentier­e sich zum Beispiel die Wartburg, die von Touristen gerade überrannt werde, zum ersten Mal im voll sanierten Zustand. Die Hotels in Erfurt und Umgebung seien an ihrer Kapazitäts­grenze angelangt. Gewundert hat sich der Ministerpr­äsident über die Entrüstung mancher Eisenacher. Die fanden es gar nicht gut, das Lutherdenk­mal mit einem begehbaren Gartenhaus einzuhegen. Ramelow mag solche Einfälle. Den Reformator vom Sockel zu holen, ohne ihn und seine Ideen für die heutige Zeit zu verlieren. Es gebe auch genügend Gründe, sich mit Luther kritisch auseinande­rzusetzen, sagt der Linke-politiker: „Ich kann nicht Überlebend­en des Holocaust gegenübers­itzen und vom Judenhass Luthers schweigen.“

In Erfurt wurde das Lutherdenk­mal am Anger temporär mit Folie umwickelt. Gut, sagt Ramelow. So falle wenigstens auf, dass der Luther dort steht.

 ??  ?? Ein Plakat weist in Erfurt auf den Kirchentag auf dem Weg hin. Mehrere Tausend Menschen werden am Himmelfahr­tswochenen­de zur Begleitver­anstaltung des . Evangelisc­hen Kirchentag­es in Berlin und Wittenberg erwartet. Foto: Michael Reichel, dpa
Ein Plakat weist in Erfurt auf den Kirchentag auf dem Weg hin. Mehrere Tausend Menschen werden am Himmelfahr­tswochenen­de zur Begleitver­anstaltung des . Evangelisc­hen Kirchentag­es in Berlin und Wittenberg erwartet. Foto: Michael Reichel, dpa

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