Hilfe, ich muss zum Idiotentest
Über die 0,0-Promille-grenze am Steuer und die MPU wird immer wieder diskutiert – nicht nur im Vorfeld eines Männertages
Im Rahmen einer Aufklärungswoche zum Thema Alkohol hat der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DRV) erneut ein absolutes Verbot am Steuer gefordert. Dazu ein Gespräch mit Don Devol, dem Leiter des Instituts für Verkehrssicherheit beim Tüv Thüringen.
Herr Devol, die MPU verbreitet Angst und Schrecken, wem und wann droht der sogenannte Idiotentest?
Es gibt unterschiedliche Anlässe, aber die Anordnung erfolgt immer durch die Behörde. Die MPU droht nach Alkoholfahrten oder nach Fahrten unter Drogeneinfluss. Wieder andere haben zu viele Punkte gesammelt oder sind strafrechtlich aufgefallen. Es kann aber auch sein, dass körperliche oder geistige Defizite zutage getreten sind.
Bei Alkohol gibt es bekanntlich eine starre Grenze…
…und diese liegt bei 1,6 Promille, wohlgemerkt bei der ersten Trunkenheitsfahrt. Ab diesem Wert kommt man um die MPU nicht mehr herum. Wenn ein Fahrer bereits das zweite Mal mit Alkohol am Steuer erwischt wird, also alles, was über 0,5 Promille ist, dann muss er ebenfalls zum Gutachter.
Wie viel muss man denn trinken, um auf den Grenzwert zu kommen?
Als allgemeine Faustformel bei einem 80-Kilo-mann gilt: 0,02 Liter Schnaps führen zu einer Blutalkoholkonzentration von etwa 0,1 Promille. Ähnlich verhält es sich mit 0,1 Liter Wein, von einem Bier müsse man 0,2 Liter trinken, um den Wert zu erreichen. Man muss bei der Berechnung aber berücksichtigen, dass der Körper pro Stunde 0,1 – 0,2 Promille wieder abbaut. Nach drei Stunden und rund 20 Bieren hat man ca. 1,6 Promille.
Wissen Sie eigentlich, warum man den Test umgangssprachlich als Idiotentest bezeichnet?
Mir ist berichtet worden, dass das aus den 50er-, 60er-jahren stammt, aus den Anfängen der MPU. Damals musste man vor allem dann zum Gutachter, wenn man mehrfach durch die Führerscheinprüfung fiel. Diese sogenannten Prüfungsversager wurden abwertend als Idioten bezeichnet.
Gibt es einen Personenkreis, der besonders häufig zur MPU muss?
Es kommen Menschen aus jeder Schicht, in jedem Alter. Ein Schwerpunkt liegt bei den 35bis 55-Jährigen. Und: Es werden deutlich mehr Männer mit Alkohol am Steuer erwischt. Nur rund zehn Prozent sind Frauen.
Wahrscheinlich werden überhaupt nur wenige Trunkenheitsfahrten entdeckt…
… Schätzungen zufolge kommen auf jede entdeckte Trunkenheitsfahrt 300 bis 600 unentdeckte. Und das liegt ganz klar an der Überwachungsdichte, der Polizei fehlt es wahrscheinlich schlichtweg an Kapazitäten.
Wie viele Personen müssen sich denn pro Jahr einem Gutachter stellen?
Bundesweit sind es 92 000 — rund 50 Prozent davon kommen wegen Alkoholfahrten. In ganz Thüringen sind es geschätzt etwa 2300 Menschen, die eine MPU ablegen müssen.
Wie genau läuft der Test ab?
Die MPU besteht aus drei Teilen: einem psychologischen Interview, einem Reaktionsund Konzentrationstest und einer körperlichen Untersuchung. Es werden Blutwerte erhoben, nach der Krankengeschichte gefragt . . .
Besonders kniffelig soll das Gespräch mit dem Psychologen sein …
. . . in einem ersten Teil geht es um persönliche Angaben und natürlich wird auch die Vorgeschichte erörtert, also wie es zu der Trunkenheitsfahrt kam. Entscheidend für den Gutachter aber ist, dass sich was an den Ursachen geändert hat, die zu der Trunkenheitsfahrt geführt hat. Es geht darum, dass sich der Betroffene mit der Straftat auseinandergesetzt hat. Der Psychologe fragt sich: Hat er an dem Problem gearbeitet — und wie stabil ist das für die Zukunft.
Wie viele Probanden fallen denn durch und was kostet das Gutachten?
Rund 35 Prozent bestehen die MPU nicht. Für das Gutachten muss man mit Kosten von rund 400 Euro rechnen.
Kann man die Untersuchung jederzeit wiederholen?
Jeder hat zu jeder Zeit das Recht, einen Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zu stellen. Und für die MPU gibt es keine Einschränkungen.
Im Internet gibt es mittlerweile diverse Angebote für Vorbereitungskurse zur MPU . . .
. . . im Prinzip bieten alle, die Verkehrspsychologen beschäftigen, diesen Service an. Tüv, Dekra, jede Menge Private. Der Gesetzgeber verlangt aber seit 2009, dass der Vorbereitungsbereich vom Begutachtungsbereich getrennt sein muss. Früher war das anders, da durfte man als Verkehrspsychologe beides machen. Natürlich kostet der Kurs auch wieder Geld, je nach Stundenzahl und Intensität. Es ist mittlerweile auch kein Geheimnis mehr, dass es sehr viele unseriöse und sehr viele inkompetente Kurs-anbieter gibt.
Es ist ein Teufelskreislauf: Fahrerlaubnis weg, Job weg, kein Geld für die MPU — verstehen Sie die permanente Kritik an dem Ablauf?
Natürlich, das kann ich nachvollziehen. Aber was wären die Alternativen? Es wäre wohl auch keine Lösung, wenn die Steuerzahler für die Verkehrssünder zahlen müssten.
Gibt es eigentlich die Möglichkeit, das Gutachten des Psychologen anzuzweifeln?
Es gibt zwei verschiedene Wege, einen zivilrechtlichen und einen verwaltungsrechtlichen. Wenn das Gutachten fehlerhaft sein sollte, muss natürlich nachgebessert werden. Meistens sind die Probanden aber mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden. Wenn es dann zu einem Verfahren kommt, wird im Zweifelsfall ein zusätzlicher Gutachter prüfen, ob die Arbeit wissenschaftlichen Standards entspricht.
Wenn die Verwaltung den Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ablehnt, beispielsweise weil das Gutachten nicht vorliegt, dann kann man natürlich auch Widerspruch einlegen und dann Klage erheben.
Früher hat man immer noch gesagt, eine Alkoholfahrt ist ein Kavaliersdelikt.
Das hat sich aber deutlich gewandelt. Großen Anteil daran haben die Sanktionen und Aufklärungskampagnen. Fast jeder kennt zum Beispiel die Aktion: Don’t drink and drive.
Der Tüv Thüringen fordert die Grenze für die MPU auf 1,1 Promille zu senken. Sollte im Straßenverkehr nicht grundsätzlich die 0,0-Grenze gelten?
Zumindest kann man darüber diskutieren. Die 0,0-Grenze hat sich bei den jungen Fahranfängern in der Probezeit bewährt. Warum soll das in den anderen Altersgruppen nicht auch funktionieren? Das muss am Ende aber der Gesetzgeber entscheiden. Viele versuchen sich an die Grenze 0,5 heranzutasten, das ist aber gefährlich.
Zum zweiten Teil der Frage: Verkehrspsychologen stellen auf die Rückfallwahrscheinlichkeit ab — und der Wert 1,1 Promille ist eine Schwelle, ab der die Wiederholungsgefahr sich deutlich erhöht. Die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit wird in Deutschland ja auch bei 1,1 Promille gezogen. Bei diesem Wert entzieht der Richter die Fahrerlaubnis, weil er sagt, dass der Fahrer ungeeignet ist — im strafrechtlichen Sinne.
Wie viele Autofahrer, die bereits einmal zur MPU mussten, werden wieder unter Alkohol geschnappt?
Im Rahmen des Sanktions- und Präventionssystems werden innerhalb von drei Jahren werden rund acht Prozent rückfällig