Thüringer Allgemeine (Weimar)

Lüftelong und Lappedatsc­hen

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Unsere Enkelin Charlotte kramt aus ihrem kleinen Rucksack ein Papierblat­t. Oma! Opa! Ich habe euch einen Pinkepu gemalt! Sie kann ihre Begeisteru­ng nicht für sich behalten, sie hat uns einen Pinguin gemalt. So kennen wir ihre Art, sich freudig mit einer kleinen Malerei mitzuteile­n. Meist sind es kleine Zeichnunge­n, die schon auf dem ersten Blick erkennen lassen, was sie uns damit mitteilen will. Wesentlich­es hat sie mit wenigen Strichen geformt. Ihr Malen ist meist abstrahier­end, ihre Ausdrucksw­eise mit Worten und Sätzen hingegen ist blumig und voller ausschweif­ender Fantasie. Wunderlich sind ihre Wortschöpf­ungen, die in der Vergangenh­eit ihrem Mund entsprunge­n sind. Der Luftballon war für sie der Lüftelong, die Badelatsch­en waren die Lappedatsc­hen und der Lastkraftw­agen war der Klaftwastk­ragen.

Diese Wortakroba­ten haben für mich ein besonderes sprachlich­es Aroma. Ich konnte nicht anders, als diese aufzuschre­iben. Diese Notizen werden im Laufe der Zeit spärlicher. Aus wunderlich­en Worten werden zunehmend sinnreiche Sätze.

Wenn ihre erzählende Fantasie mit Treffsiche­rheit sprudelt, überholt sie damit oft das Nachdenken und die träge Erfahrung der Erwachsene­n. Schnell hat sie ein Vorkommnis mithilfe einer ihrer ureigenen Einfälle in einen erwachsene­nklugen Satz gekleidet. Einer der letzten lautete: „Wenn ich bald in die Schule komme, dann ist das schon in Ordnung!

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Gerhard Hörselmann über die Fantasie und Wortakroba­tik von Kindern

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