Jeder Zehnte ist überschuldet: Höchste Rate in Eisenach
Arbeitslosigkeit und Scheidung führen Thüringer Haushalte besonders schnell in die finanzielle Krise
Zu hohe Schulden sind kein Einzelfall: 2016 war fast jeder zehnte Thüringer überschuldet. Das geht aus dem aktuellen Schuldenatlas der Auskunftei Creditreform hervor. Überschuldet ist, wer seine Zahlungsverpflichtungen über einen längeren Zeitraum nicht begleichen kann, also mehr ausgibt, als er einnimmt.
In Eisenach ist die Schuldnerquote mit zwölf Prozent besonders hoch. Aber auch in Gera, im Kyffhäuserkreis, in Erfurt und in Weimar liegt die Quote bei über zehn Prozent, während in Jena nicht einmal sechs Prozent der Einwohner als überschuldet gelten. Die Schuldnerberater der Liga der Freien Wohlfahrtspflege erklären den Spitzenplatz der Universitätsstadt mit den vielen Studenten: „Sie bekommen nur wenig Geld, haben meist geringe Ansprüche – und machen einfach nicht so viele Schulden.“
Auch im Eichsfeld ist die Quote mit sechs Prozent niedrig. Anlässlich
Erfurt.
der laufenden Aktionswoche zum Thema Schuldnerberatung fordert die Liga vom Land mehr Geld für eine bessere Beratung, denn nur etwa zehn Prozent der rund 170 000 überschuldeten Thüringer haben in einer der 27 Schuldnerberatungsstellen im Land adäquate Unterstützung erfahren. „So scheuen viele Betroffene aus Scham vor dem Weg in die Beratungsstelle zurück“, weiß Referentin Julia Hohmann, „andere werden von den wochenlangen Wartezeiten abgeschreckt. Und viele Betroffene erhalten die Beratung nicht kostenlos – und können sie sich schlichtweg gar nicht leisten.“Denn im Gegensatz zu Empfängern von Sozialleistungen haben Erwerbstätige und Rentner in einigen Regionen keinen Rechtsanspruch auf kostenfreie Hilfe.
Dabei sind es nicht zwingend Geringverdiener oder Alg-iiempfänger, die in die Schuldenfalle geraten. Oft kippen die scheinbar sicheren Finanzierungspläne von normal verdienenden Menschen in Schieflage, wenn unvorhergesehene Ereignisse zu einer Änderung der Lebenssituation führen, durch Arbeitslosigkeit, eine lange Krankheit oder eine Scheidung. „Aber manchmal reicht schon der Wegfall fest eingeplanter Zuschläge für eine familiäre Finanzkrise“, weiß Schuldnerberaterin Frederike Fernández Álvarez. 45 000 Euro Schulden bei mehreren Dutzend Gläubigern haben die Betroffenen teilweise angehäuft – in einem oft jahrelangen, schleichenden Prozess. Für eine personelle Aufstockung der Beratungsstellen fordert die Liga der Freien Wohlfahrtspflege mehr Geld vom Land. Eberhard Bodenburg vom zuständigen Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz macht den Beratern etwas Hoffnung: „Es liegt nicht am fehlenden Willen, die Beratungsstellen besser auszustatten, aber am Geld. Für 2018 sieht es aber besser aus“, so Bodenburg. Da aber Thüringen im bundesweiten Schuldner-ranking seit Jahren hinter Bayern und Baden-württemberg auf dem dritten Platz liege, sitze das Geld im Finanzministerium angesichts der guten absoluten Zahlen eben nicht so locker.
Zu schaffen machen den Schuldnerberatern aber die vielen Einzelschicksale, mit denen sie täglich konfrontiert sind. Das Abtragen des Schuldenberges dauert oft mehrere Jahre. Zeit, in der woanders neue Schulden auflaufen.