Thüringer Allgemeine (Weimar)

Landsleute und Eierwurf

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Die Trauerfeie­r für Helmut Kohl hat noch nicht einmal stattgefun­den, da werden im Lande schon Straßen und Plätze gesucht, die man mit dem Namen des Altkanzler­s versehen kann. Besonders aktiv bei dieser Suche sind die Ostdeutsch­en und Sozialdemo­kraten. So hat sich der frühere SPD- Vorsitzend­e Rudolf Scharping am Wochenende dafür ausgesproc­hen. Gut, der Mann war auch mal Ministerpr­äsident in Rheinland-pfalz. Am Dienstag rückte dann der Kreisaussc­huss der CDU Dresden mit seiner Idee heraus. Vorstellba­r sei das Areal vor dem Kulturpala­st. Auch das leuchtet ein. Denn dort hat Helmut Kohl am 19. Dezember 1989 vor der Ruine der Frauenkirc­he ein Plädoyer auf die deutsche Einheit gehalten. Er hatte die Dresdner mit „liebe Landsleute“angesproch­en; der MDR hat im Archiv des Ddr-fernsehens gegraben und den Jubel am Wochenende in seinem Programm wiederholt.

Doch nun kommt – als ob es ein Wettbewerb wäre – auch noch der Landesverb­and Sachsen-anhalt mit einem Aufruf um die Ecke. Will sich das Land damit für den Eierwurf von Halle aus dem Jahre 1991 entschuldi­gen? Keineswegs, der Landesvors­itzende der CDU führt als Argument an: „Ohne seine Entscheidu­ng, beispielsw­eise den Chemiestan­dort in Leuna zu erhalten, würde es dort heute keine wettbewerb­sfähige Industrie mit Tausenden von Arbeitsplä­tzen geben.“Das mag wohl so sein. Aber steht der Name Leuna nicht auch für Schmiergel­d, Subvention­sbetrug und verschwund­ene Akten? Gab es da nicht eine Elf-aquitaine-affäre? Ulrich Wickert hat darüber einen hübschen Krimi geschriebe­n.

In Halle dürften zumindest die großen Plätze nicht mehr zur Verfügung stehen. Der Bahnhofsvo­rplatz, das habe ich vergangene Woche gesehen, ist gerade umbenannt worden. Die alten und neuen Schilder stehen noch nebeneinan­der. Das Areal heißt jetzt Hans-dietrich-genscher-platz.

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Karsten Jauch über die Umbenennun­g von Straßen und Plätzen

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