Drittletzter im Bundesvergleich
In Thüringer Kindergärten müssen sich die Erzieherinnen einer Studie zufolge um zu viele Kinder kümmern
Erfurt. Thüringens neuer Bildungsminister Helmut Holter (Linke) hält nicht viel von der aktuellen Studie zur Kita-qualität. „Was hilft ein guter Betreuungsschlüssel, wenn das Kind über Mittag abgeholt und von den Eltern selbst betreut werden muss?“, fragt er. Das Land habe hier deutlich mehr zu bieten. „Thüringer Kita-plätze sind Ganztagsplätze mit hervorragend qualifizierten Erzieherinnen und Erziehern.“
Der Erhebung der Bertelsmann-stiftung zufolge kamen in Thüringen im März vergangenen Jahres statistisch 5,4 Kinder auf eine Vollzeit-fachkraft in Krippen, eine Kita-erzieherin betreute 11,6 Kinder. Bei Kindergärten ist Thüringen demnach im Bundesvergleich Drittletzter, vor Sachsen und Mecklenburg-vorpommern. Im Bundesdurchschnitt kümmerte sich eine Erzieherin rein rechnerisch um 4,3 Krippen- beziehungsweise um 9,2 Kindergartenkinder.
Die Studie stellt zudem große regionale Unterschiede innerhalb Thüringens fest (siehe Grafik). Im Landkreis Hildburghausen betreut eine Kindergartenfachkraft demnach 10,3 Kinder von drei bis sechs Jahren, im Kreis Saalfeld-rudolstadt teilweise bis zu 13,3 Kinder.
Mit Blick auf das Kita-gesetz, dessen Novelle im Entwurf vorliegt und höchst umstritten ist, sagt Linke-fraktionschefin Susanne Hennig-wellsow: „Unterrichtsabsicherung, Sicherstellung eines hochwertigen Kitaplatzes für alle Kinder ab dem 1. Lebensjahr sowie das beitragsfreie Kita-jahr: Mit diesem Dreiklang gehen wir in die Haushaltsberatungen 2018/19.“
Der Freistaat belege beim Personalschlüssel der Kitas im Bundesländervergleich nur noch Platz 14, „das dürfen wir nicht einfach hinnehmen“, betont Spd-familienpolitikerin Birgit Pelke. Bei der Betreuungsqualität im Kita-bereich müsse „dringend nachgebessert“werden. Sie erneuert die Forderung ihres Fraktionskollegen Christoph Matschie nach einem Stufenplan, der einen Personalschlüssel von 1:12 für die 3-bis 4-Jährigen vorsieht (TA berichtete) .
Grünen-politikerin Astrid Rothe-beinlich begrüßt diesen Vorschlag. „Wir werden sehr intensiv im Zuge der Haushaltsverhandlungen mit unseren Koalitionspartnern ins Gespräch kommen, wie uns der von vielen Seiten geforderte Schritt zu spürbaren Qualitätsverbesserungen gelingen kann“, sagt sie.
Die Studie rüttelt indes am rot-rot-grünen Prestigeprojekt: dem beitragsfreien Kita-jahr. Erst müsse die Betreuungsqualität stimmen, so Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.
Bei der CDU stößt das auf Zustimmung: „Mit den Geldern für ein beitragsfreies Kita-jahr könnte und müsste Sinnvolleres geleistet werden“, sagt Marion Rosin, die bis vor wenigen Monaten noch der mitregierenden Spd-fraktion angehörte. Für einen kindgerechten Personalschlüssel müssen in Thüringen nach Berechnungen der Bertelsmann-stiftung zusätzlich 8600 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte rekrutiert und weitere 407 Millionen Euro jährlich bereitgestellt werden.
Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege fühlt sich durch diese Zahlen bestätigt, begrüßt aber auch den Vorstoß Matschies nach einem Stufenplan.
„Wir als AFD treten für einen verbesserten Personalschlüssel ein und bieten außerdem mit unserem Familiengeld eine flexible Alternative“, so die Abgeordnete Wiebke Muhsal.
Und die Vorsitzende der Landeselternvertretung Kitas, Ulrike Grosse-röthig, appelliert: „Thüringen ist ein Bildungsland und die Verantwortlichen aller Parteien sollten sich der Chancen bewusst sein, die sich durch die Gesetzesnovelle bieten um die Qualität in den Einrichtungen jetzt voranzubringen.“Bei Minister Holter könnte sie auf offene Ohren stoßen. „Natürlich wolle man beim Erreichten nicht stehen bleiben“, sagt er.