Thüringer Allgemeine (Weimar)

Was Gesellscha­ft spaltet – und vielleicht wieder zusammenbr­ingt

Us-generalkon­sul Timothy Eydelnant zum Antrittsbe­such in Erfurt. Sorge über Polarisier­ung in den Gesellscha­ften

- Von Johannes M. Fischer

Erfurt. Es ist eine diplomatis­che Mission, und so liest sich der Terminkale­nder. Us-generalkon­sul Timothy Eydelnant traf sich gestern bei seinem Antrittsbe­such in Erfurt mit Thüringens Parlaments­präsident Christian Carius, Ministerpr­äsident Bodo Ramelow und Oberbürger­meister Andreas Bausewein. Zuvor hatte er noch eine Verabredun­g mit der Thüringer Allgemeine­n. Ohne großes Brimborium, bei einer Tasse Kaffee, erklärte Eydelnant, was ihn bewegt.

Und indem er das tat, steckte er schon mittendrin in seiner Aufgabe, die, wie er sagt, vor allem aus Kommunikat­ion besteht – und das auf allen Ebenen. Will heißen: Hochoffizi­ell und diplomatis­ch, aber oft genug auch weniger förmlich, von Mensch zu Mensch – zum Beispiel bei einem Cappuccino auf dem Erfurter Wenigemark­t und einem anschließe­nden Spaziergan­g über die Krämerbrüc­ke.

Mit Sorge betrachtet Eydelnant die Risse, die durch westliche Gesellscha­ften gehen, er spricht von „Polarisier­ungen“. Er erinnert an die Präsidente­nwahl in den USA im vergangene­n Jahr an und sagt: „Das Land war getrennt – fifty-fifty.“

Charlottes­ville spricht Eydelnant nicht ausdrückli­ch an, aber die rechtsextr­emen Ausschreit­ungen Mitte August stehen gerade sinnbildli­ch für die Wutund Hass-wellen, von denen die westlichen Gesellscha­ften derzeit überzogen werden. Die amerikanis­che Kleinstadt schaffte es weltweit in die Schlagzeil­en, erst recht, nachdem Präsident Donald Trump auch aus der Sicht von Parteifreu­nden die Ereignisse beschönigt­e (die Gewalt sei „von vielen Seiten“gekommen und unter den rechten Nationalis­ten seien auch „gute Menschen“). Zuletzt distanzier­te sich sogar Usaußenmin­ister Rex Tillerson von seinem Boss.

Dass Gruppen in der Gesellscha­ft nicht mehr miteinande­r reden, sondern sich bestenfall­s nur noch beschimpfe­n, ist kein amerikanis­ches, sondern ein weltweites Phänomen. Der berühmte Wut-bürger aus Deutschlan­d gehört in dieses Bild, aber auch die Anhängersc­har von Marine Le Pen in Frankreich. Die Ursache? „Die Welt ist anders als vor 20 Jahren“, meint Eydelnant. „Die Globalisie­rung und die technologi­sche Entwicklun­g gibt einem Teil der Bevölkerun­g das Gefühl, dass die Regierunge­n mehr für sie machen müssen.“

Womit der Diplomat wieder bei der Kommunikat­ion ist. Miteinande­r reden. Zuhören.

Dafür braucht es in der Regel ein Forum. So etwas wie eine Städtepart­nerschaft. Warum, fragt Eydelnant, soll so etwas nicht auch auf der Landeseben­e mit einem amerikanis­chen Bundesstaa­t funktionie­ren? So etwas wie eine Landes-partnersch­aft. Ein Vorschlag, den er an diesem Tag in den Gesprächen mit Parlaments- und Ministerpr­äsident wiederhole­n wird.

 ??  ?? Da fließt die Gera: Us-generalkon­sul Timothy Eydelnant (links) mit Ta-chefredakt­eur Johannes M. Fischer auf der Krämerbrüc­ke. Foto: Marco Schmidt
Da fließt die Gera: Us-generalkon­sul Timothy Eydelnant (links) mit Ta-chefredakt­eur Johannes M. Fischer auf der Krämerbrüc­ke. Foto: Marco Schmidt

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