Was Gesellschaft spaltet – und vielleicht wieder zusammenbringt
Us-generalkonsul Timothy Eydelnant zum Antrittsbesuch in Erfurt. Sorge über Polarisierung in den Gesellschaften
Erfurt. Es ist eine diplomatische Mission, und so liest sich der Terminkalender. Us-generalkonsul Timothy Eydelnant traf sich gestern bei seinem Antrittsbesuch in Erfurt mit Thüringens Parlamentspräsident Christian Carius, Ministerpräsident Bodo Ramelow und Oberbürgermeister Andreas Bausewein. Zuvor hatte er noch eine Verabredung mit der Thüringer Allgemeinen. Ohne großes Brimborium, bei einer Tasse Kaffee, erklärte Eydelnant, was ihn bewegt.
Und indem er das tat, steckte er schon mittendrin in seiner Aufgabe, die, wie er sagt, vor allem aus Kommunikation besteht – und das auf allen Ebenen. Will heißen: Hochoffiziell und diplomatisch, aber oft genug auch weniger förmlich, von Mensch zu Mensch – zum Beispiel bei einem Cappuccino auf dem Erfurter Wenigemarkt und einem anschließenden Spaziergang über die Krämerbrücke.
Mit Sorge betrachtet Eydelnant die Risse, die durch westliche Gesellschaften gehen, er spricht von „Polarisierungen“. Er erinnert an die Präsidentenwahl in den USA im vergangenen Jahr an und sagt: „Das Land war getrennt – fifty-fifty.“
Charlottesville spricht Eydelnant nicht ausdrücklich an, aber die rechtsextremen Ausschreitungen Mitte August stehen gerade sinnbildlich für die Wutund Hass-wellen, von denen die westlichen Gesellschaften derzeit überzogen werden. Die amerikanische Kleinstadt schaffte es weltweit in die Schlagzeilen, erst recht, nachdem Präsident Donald Trump auch aus der Sicht von Parteifreunden die Ereignisse beschönigte (die Gewalt sei „von vielen Seiten“gekommen und unter den rechten Nationalisten seien auch „gute Menschen“). Zuletzt distanzierte sich sogar Usaußenminister Rex Tillerson von seinem Boss.
Dass Gruppen in der Gesellschaft nicht mehr miteinander reden, sondern sich bestenfalls nur noch beschimpfen, ist kein amerikanisches, sondern ein weltweites Phänomen. Der berühmte Wut-bürger aus Deutschland gehört in dieses Bild, aber auch die Anhängerschar von Marine Le Pen in Frankreich. Die Ursache? „Die Welt ist anders als vor 20 Jahren“, meint Eydelnant. „Die Globalisierung und die technologische Entwicklung gibt einem Teil der Bevölkerung das Gefühl, dass die Regierungen mehr für sie machen müssen.“
Womit der Diplomat wieder bei der Kommunikation ist. Miteinander reden. Zuhören.
Dafür braucht es in der Regel ein Forum. So etwas wie eine Städtepartnerschaft. Warum, fragt Eydelnant, soll so etwas nicht auch auf der Landesebene mit einem amerikanischen Bundesstaat funktionieren? So etwas wie eine Landes-partnerschaft. Ein Vorschlag, den er an diesem Tag in den Gesprächen mit Parlaments- und Ministerpräsident wiederholen wird.