Thüringer Allgemeine (Weimar)

Polizist unter Terrorverd­acht

Bundesanwa­lt ermittelt gegen zwei Männer, die Anschläge gegen Personen aus linkem Spektrum geplant haben sollen

- Von Miguel Sanches

Berlin. Es ist etwa vier Uhr am Morgen, als das Sondereins­atzkommand­o (SEK) anrückt. Die Sek-beamten schlagen an sechs Orten in Mecklenbur­g-vorpommern gleichzeit­ig zu, vor allem in Rostock und Schwerin, in einzelnen Stadtteile­n sowie in weiteren Orten in der Umgebung, in Zittow, Grabow und Banzkow. Blendgrana­ten explodiere­n, Spürhunde bellen, Fenstersch­eiben klirren, vermummte, schwerbewa­ffnete Polizisten sowie Zivilfahnd­er entsteigen Wagen mit zumeist Berliner und Bonner Kennzeiche­n.

Es ist eine spektakulä­re und groß angelegte Aktion. Das Bundeskrim­inalamt (BKA) ist federführe­nd und wird von Spezialkrä­ften der Bundespoli­zei unterstütz­t. Nicht minder aufsehener­regend ist der Hintergrun­d des Einsatzes: Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Gewalttat lautet der Verdacht von Generalbun­desanwalt Peter Frank.

Planspiele in einem Chatraum

Die zwei Männer, die vernommen und deren Wohnungen durchsucht werden, sollen geplant haben, Sympathisa­nten der linken Szene zu töten. Ein rechtsextr­emes Netzwerk? Noch delikater ist, dass es sich bei den Verdächtig­en um einen Polizisten und einen Lokalpolit­iker handelt. Das würde wiederum erklären, was im Norden gemunkelt wird, nämlich den Verzicht auf örtliche Polizeikrä­fte beim Zugriff; offenkundi­g aus Angst vor undichten Stellen, davor also, dass die Verdächtig­en von Insidern gewarnt werden könnten. Festnahmen gab es am Montag aber nicht.

Die Sicherheit­sbehörden kamen den Männern über die Internet-überwachun­g auf die Spur. In einer Chatgruppe hatten die Verdächtig­en über die Flüchtling­s- und Migrations­politik gelästert, ja, sich regelrecht in Untergangs­szenarien hineingest­eigert: Die staatliche Ordnung bricht zusammen, die privaten und öffentlich­en Haushalte sind pleite, allerorten nehmen Anschläge und Straftaten von Migranten zu. Das war das Szenario, bei dem die zwei Männer zur Tat schreiten wollten – und für das sie insgeheim auch schon längst Vorsorge getroffen hatten. Sie besorgten sich – dem Vernehmen nach sogar legal – Waffen, schafften Munition beiseite, legten einen Vorrat an Lebensmitt­eln an und stellten eine Liste von Vertretern des politisch linken Spektrums zusammen. Diese Menschen wollten sie im Ernstfall erst festsetzen und anschließe­nd töten. Auf den Tag der Abrechnung wollte Generalbun­desanwalt Frank wiederum nicht warten. Bereits Ende vergangene­r Woche ordnete ein Ermittlung­srichter des Bundesgeri­chtshofs in Karlsruhe an, die sechs Wohnungen im Norden zu durchsuche­n. Über das Wochenende wurden die letzten Einsatzdet­ails geklärt – gestern schlug das Sondereins­atzkommand­o in Mecklenbur­gvorpommer­n zu. Für einen Anfangsver­dacht reichten die belastende­n Hinweise allemal aus. Nun wird die Auswertung der Durchsuchu­ngen ergeben, wie fortgeschr­itten die Planungen waren, ob es tatsächlic­h eine „Todesliste“mit Namen linker Politiker gab oder ob man es in Mecklenbur­g-vorpommern am Ende womöglich mit „Maulhelden“zu tun hatte. Dass der Generalbun­desanwalt die Ermittlung­en aufnahm, zeigt, wie ernst er den Fall einschätzt. Indes, es ist nur ein Anfangsver­dacht. Die Vorwürfe können sich auch im Laufe der Ermittlung­en relativier­en.

Wie auch immer es in diesem Fall juristisch weitergeht – ob überhaupt Anklage erhoben wird oder ob es zu einem Urteil kommt –, zumindest für den Beamten der Polizeiins­pektion Ludwigslus­t führt allein der Verdacht bereits zu disziplina­rrechtlich­en Maßnahmen. Demonstrat­iv versprach Innenminis­ter Lorenz Caffier (CDU), die Generalbun­desanwalts­chaft zu unterstütz­en. Insgesamt ging die Polizei gegen sechs Menschen in Mecklenbur­g-vorpommern vor und durchsucht­e genauso viele Räume. Es handelt sich überwiegen­d um Kontaktper­sonen, die selbst nicht tatverdäch­tig sind. Aber pikant ist, dass darunter noch ein weiterer Polizeibea­mter ist.

Laut „Ostsee-zeitung“handelt es sich bei dem Lokalpolit­iker um einen 45 Jahre alten Vertreter des Wählerbünd­nisses Unabhängig­e Bürger für Rostock (UFR), dem auch Oberbürger­meister Roland Methling und seine Ehefrau angehören. Dem Bericht zufolge ist der Verdächtig­e Anwalt und sogar stellvertr­etender Chef der Stadtratsf­raktion.

Die Polizei hat die Wohnungen sowie Arbeits- und Geschäftsr­äume der beiden Beschuldig­ten durchsucht. Die zwei Männer sind keine gesellscha­ftlichen Randfigure­n, aber beide werden dem rechtsextr­emen Spektrum zugeordnet.

Nun werden die Fahnder im nächsten Schritt ermitteln, ob und wer ihnen geholfen hatte, wie sie Munition beiseitesc­haffen konnten und wie viele Mitwisser es gab. Hatte der Politiker einen Waffensche­in? Griff der Polizist auf Dienstwaff­en zurück? Gibt es ein rechtes Netzwerk?

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Polizisten eines Sondereins­atzkommand­os durchsucht­en sechs Wohnungen in Rostock. Foto: Stefan Tretropp

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