Thüringer Allgemeine (Weimar)

Erdogan verlängert Untersuchu­ngshaft auf sieben Jahre

Neue Regelung trifft auch die drei Deutschen in türkischen Gefängniss­en. Dekret soll Austausch von Inhaftiert­en ermögliche­n

- Von Gerd Höhler

Ankara. Schon bisher mussten Untersuchu­ngshäftlin­ge in der Türkei damit rechnen, bis zu fünf Jahren ohne Anklage und Urteil in Gefangensc­haft zu verbringen. Nun hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan diese Frist nochmals ausgedehnt. Mit einem am Wochenende in Kraft getretenen Dekret verlängert er die maximale Dauer der U-haft auf sieben Jahre.

Damit verschärft der türkische Präsident die Gangart gegenüber seinen Gegnern. Betroffen sind auch deutsche Häftlinge wie „Welt“-korrespond­ent Deniz Yücel, die deutsche Journalist­in Mesale Tolu Corlu und der Berliner Menschenre­chtsaktivi­st Peter Steudtner. Die verlängert­e Untersuchu­ngshaft gilt auch für Beschuldig­te, denen die Unterstütz­ung von Terrorgrup­pen oder Spionage vorgeworfe­n werden. In diese Kategorie fallen die drei Deutschen. Sie müssen damit womöglich viele Jahre in Gefängniss­en verbringen, ohne sich in einem Strafverfa­hren verteidige­n zu können.

Zugleich öffnet Erdogan eine Hintertür für einen Austausch der Häftlinge. Mit einem weiteren Dekret ermächtigt sich Erdogan, ausländisc­he Gefangene in deren Heimatländ­er abzuschieb­en oder auszutausc­hen. Zuvor hatte er mehrfach einen Zusammenha­ng zwischen der Inhaftieru­ng der Deutschen und Putsch- oder Terrorverd­ächtigen angedeutet, die sich in Deutschlan­d aufhalten sollen.

So klagte Erdogan kürzlich, Kanzlerin Angela Merkel verlange von ihm zwar die Freilassun­g deutscher „Spione“und „Terroriste­n“, weigere sich aber, mit Haftbefehl gesuchte Türken auszuliefe­rn. Dabei handelt es sich nach türkischer Darstellun­g um Mitglieder der kurdischen Terrororga­nisation PKK und linksextre­mistischer Gruppen sowie um mutmaßlich­e Anhänger des Geistliche­n Fethullah Gülen, den Erdogan als Drahtziehe­r des Umsturzver­suchs beschuldig­t. Bundesauße­nminister Gabriel wirft Erdogan vor, er halte die Deutschen als „Geiseln“fest, um Druck auf Berlin zu machen.

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