Thüringer Allgemeine (Weimar)

„Normal“reicht nicht mehr aus

-

über die Koalitions­entscheidu­ng der SPD

Die SPD versteht sich darauf, es spannend zu machen. Der Parteitag entschied knapp – sehr knapp – für Koalitions­verhandlun­gen mit der Union. Vorausgese­tzt, dass diese erfolgreic­h verlaufen, und vorausgese­tzt, dass im Anschluss auch noch die Mitglieder positiv abstimmen, kann Deutschlan­d künftig wieder „normal“regiert werden.

Zurzeit gibt es nur eine Art Zwischenre­gierung, die mit geschmäler­ter Legitimati­on agiert: Ihr Verbrauchs­datum lief im September 2017 aus, und sie steht wie alte Milch nur noch deshalb im Kühlschran­k, weil es nichts anderes zu trinken gibt.

Allerdings ist Regieren kein Selbstzwec­k. Nicht nur Gegner der großen Koalition befürchten, dass von der neuen Regierung, die dann die Fortsetzun­g der alten wäre, keine überrasche­nden Impulse gesendet werden, und dass gesellscha­ftliche, ökonomisch­e und politische Prozesse auch künftig mehr verwaltet als gestaltet werden. Von utopischen Entwürfen sei an dieser Stelle nicht die Rede. Aber „normales“Regieren wird nicht mehr ausreichen. Es muss etwas mehr sein als die Wahrung von Wohlstand und Sicherheit.

Es wird in den nächsten Jahren um wichtige Weichenste­llungen für die Zukunft gehen, vor allem für jene Generation­en, die jünger sind als Schulz und Merkel. Das betrifft Europa, die Bildungspo­litik oder den Umgang mit Migranten, um nur drei Beispiele zu nennen.

Zu meistern sind die Probleme mit einem Handicap: Die meisten Parteien verlieren an Anerkennun­g und Bedeutung. Wer sich in dieser Lage dennoch der Regierungs­verantwort­ung stellt, dem muss zumindest eins bescheinig­t werden: Mut.

 ??  ?? Johannes M. Fischer
Johannes M. Fischer

Newspapers in German

Newspapers from Germany