Mit Küstenpunk gegen den Rechtsruck
Die Band „Feine Sahne Fischfilet“pflegt Freundschaften nach Thüringen und überrascht ihre Fans in Jena. Im März geht es nach Erfurt
Jena. Die Hasskommentare gegen sie gehören fast schon so dazu wie die glückseligen verschwitzten Gesichter auf ihren Konzerten, der frenetische Jubel, der energiegeladene Rausch bei verzerrten Gitarren, polterndem Schlagzeug und jaulenden Trompeten. Die derzeit wohl angesagteste deutsche Punkrockband – „Feine Sahne Fischfilet“– ist Anfeindungen gewohnt.
Die Musiker nehmen es gelassen. „Diejenigen, die motzen und hetzen, sind zwar laut und vor allem im Internet präsent, aber sie sind nur ein kleiner Teil der Realität“, sagt Bassist Kai Irrgang. Wie sehr er damit recht hat, untermauert auch der wachsende Erfolg der Band aus Mecklenburg-vorpommern.
„Ich kann immer noch nicht sing’n – und spiel’ jetzt bei Rock am Ring“, heißt es auf dem neuen Album „Sturm & Dreck“. Es dürfte zum Verkaufsschlager werden, viele Konzerte der bald beginnenden Tour sind ausverkauft. Und ein Überraschungsauftritt dieser Tage in Jena sorgte für Trubel in der Altstadt.
Lediglich achtzehn Stunden vorher hatten „Feine Sahne Fischfilet“über ihre Facebookseite bekannt gegeben, die Junge Gemeinde Stadtmitte besuchen zu wollen. Aus einem Konzert wurden gleich zwei.
Partymucke trifft auf politisches Engagement
Als Sänger Jan „Monchi“Gorkow im Gemeindehof ankündigt, das Konzert in zwei Halbzeiten zu teilen, erntet er lauten Applaus. Möglichst viele der überwiegend jungen Fans sollen in den eintrittsfreien Livegenuss kommen. Und so warten viele Besucher in eisiger Kälte, während andere drinnen feiern als gäbe es kein Morgen. Nach 45 Minuten wird getauscht. Dennoch müssen von den insgesamt gut 600 Besuchern etwa 200 enttäuscht den Heimweg antreten. Denn auch wenn die Band eine dritte Partyrunde in Erwägung zieht: Die Nachtruhe soll eingehalten, den Nachbarn nicht der Schlaf geraubt werden.
Um zu verstehen, wieso „Feine Sahne Fischfilet“vor ihren Hallenkonzerten in Leipzig, Köln oder Wien auch in Loitz, Königs Wusterhausen oder auf engstem Raum in Jena spielen, empfiehlt sich ein Blick auf ihre Herkunft aus dem Norden. „Wie geil wäre es gewesen, wenn früher, als wir selbst Jugendliche waren, ab und zu eine bekanntere Band in der Provinz gespielt hätte“, sagt Irrgang. „Aus diesem Grund machen wir das.“Die sechs Männer lieben die Region zwischen Rostock und Stettiner Haff. „Trotz der Wahlerfolge der Rechtspopulisten: Es gibt da oben eine Menge coole Leute.“
Auch die Band selbst ist politisch aktiv und stellte etwa vor der vergangenen Landtagswahl die Kampagne „Noch nicht komplett im Arsch – Zusammenhalten gegen den Rechtsruck“auf die Beine, mit Vorträgen, Konzerten, Diskussionsrunden. Zwar gibt es noch immer Angriffe von Rechtsaußen auf die Gruppe – Anschläge auf den Proberaum, Hassmails und eine Menge Neid auf den Erfolg, doch sie konzentriert sich auf das Positive: „Das soll jetzt nicht zu hippiemäßig klingen“, sagt Schlagzeuger Olaf Ney, „aber es tut gut zu sehen, dass es viele Leute gibt, denen Menschlichkeit wichtig ist und denen nicht alles scheißegal ist.“
Die Band trifft nicht jedermanns Geschmack. Ihre Musik ist trotz der melodischen Ausrichtung besonders live oft räudig, frech und rotzig. Das Bier spritzt, der Schweiß tropft. Punkrock halt; stürmisch und authentisch. Da passt es irgendwie, dass in Jena plötzlich der Hausherr, Jugendpfarrer Lothar König, mit auf der Bühne steht. Der Zwischenstopp an der Saale ist kein Zufall. Seit Jahren pflegt die Band Freundschaften nach Thüringen – besonders zu Pfarrer König und dessen Tochter, der Landtagsabgeordneten Katharina König-preuss (Die Linke). Sänger Monchi absolvierte ein Praktikum im Thüringer Landtag, beschäftigte sich mit dem NSU und der Rolle des Verfassungsschutzes. Den Song „Angst frisst Seele auf“widmete er König-preuss – eine Reaktion auf ein Lied einer Neonazikapelle. Dieser war zuvor das Kunststück gelungen, die oft schon unterirdischen Texte mancher Bands aus dieser Ecke noch zu unterbieten: mit Mordfantasien.
Zusammenhalt, Solidarität, Miteinander – auch darum geht’s auf „Sturm & Dreck“– neben alldem, das auf einer Punkrockschreibe eh nicht fehlen darf: Partymucke, Seitenhiebe gegen die üblichen Verdächtigen, verschmitzte Großmäuligkeit. Dass die Band schon im Verfassungsschutzbericht auftauchte oder sich der Sänger verantworten musste, weil ihm vorgeworfen wurde, Stühle auf Neonazis geworfen zu haben – darüber kann er mittlerweile schmunzeln oder sich nur wundern. Der Prozess endete mit Freispruch. Videos zeigen ihn und andere, wie sie sich vor eine Flüchtlingsdemo stellten. Zum Schutz. Denn es flogen Stühle. Geworfen von Neonazis.
Auch dieses Engagement gehört zu „Feine Sahne Fischfilet“dazu; eine Band, der es nicht allein um den Erfolg geht. Eine Band, der die Musik viel bedeutet, aber längst nicht alles ist.
Schützend vor Geflüchtete gestellt