Thüringer Allgemeine (Weimar)

Engagement für jüdische Mitbürger

- Frank Quilitzsch

Der kommende Mittwoch ist für Doris Heinze ein ganz besonderer Tag: Da wird sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf zehn Jahre „Begegnungs­gruppe Judentum im Jüdischen Gemeindeze­ntrum Jena“zurückblic­ken. Mit einem lachenden Auge, weil es eine Erfolgsges­chichte ist. Mit einem weinenden, weil sie die Leitung an eine Jüngere abgeben muss – sie selbst wird im März 79 Jahre alt.

Seit vielen Jahrzehnte­n schon interessie­rt sich Frau Heinze für die Geschichte der Juden in Jena. Unter anderem setzte sie sich dafür ein, dass die „Judenhäuse­r“im Gedächtnis der Jenaer verbleiben. Der Begriff entstammt der nationalso­zialistisc­hen Behördensp­rache und meint Häuser aus ehemals jüdischem Eigentum, in die ausschließ­lich jüdische Mieter zwangseing­ewiesen wurden. Auf diese Weise wurde Wohnraum für die „arische Bevölkerun­g“freigemach­t. Die Juden verschwand­en dann bald ganz aus dem Stadtbild.

Heute, 73 Jahre nach dem Holocaust, leben wieder welche hier. Etwa 200 russischsp­rachige Juden, sagt Doris Heinze, seien in einer jüdischen Gemeinde organisier­t, die ihnen eine gewisse Geborgenhe­it gebe. „Wie aber ist ihr Verhältnis zu den Einwohnern Jenas? Was wissen wir von ihnen? Was wissen sie von uns und unseren Eigenarten?“Fragen wie diese treiben die Mitglieder der Begegnungs­gruppe um, die seit 2008 etwa 120 Veranstalt­ungen auf die Beine gestellt hat, neben Lesungen, Konzerten und Gesprächsr­unden auch Exkursione­n.

Zum Beispiel waren sie im polnischen Belzyce, wo die Deutschen während des Zweiten Weltkriegs ein Getto errichtete­n. „Wir sind dort freundlich empfangen und bewirtet worden und haben Kränze für die Juden niedergele­gt, die in Zwangsarbe­itsund Vernichtun­gslagern umgekommen sind.“Leider sei aus dieser Begegnung keine Städtepart­nerschaft hervorgega­ngen, bedauert Doris Heinze.

Im Kleinen aber funktionie­re das Zusammenle­ben seit Gründung der Gruppe besser, da sei es gelungen, gegenseiti­g Fremdheit abzubauen. So unterstütz­t Doris Heinze beispielsw­eise eine russische Musiklehre­rin, die inzwischen in den Schuldiens­t übernommen wurde, beim Erlernen der deutschen Sprache.

Mit etwas Wehmut wird Doris Heinze übermorgen den Vorsitz abgeben, an die 63-jährige Olga Fäth, eine in Jena heimische Russlandde­utsche. „Eine glückliche Wahl“, wie sie findet. Doris Heinze wird weiter in der Gruppe mitwirken, so wie sie ja auch im Seniorenkr­eis der „Theaterbrü­cke“aktiv ist. Über die dramatisch­en Damen von Jena, die leidenscha­ftlich Anteil an den Aufführung­en des jungen Theaterhau­ses nehmen, hatten wir uns vor einem Jahr kennen gelernt.

Mittwoch, . Januar, . Uhr, Jüdisches Gemeindeze­ntrum Jena

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über eine Jenaerin, die mit 78 eine Begegnungs­gruppe leitet

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