Thüringer Allgemeine (Weimar)

Dreßen feiert auf der Streif einen Sieg für die Geschichts­bücher

39 Jahre lang war es keinem Deutschen gelungen, das legendäre Hahnenkamm-rennen in Kitzbühel zu gewinnen

- Von Elisabeth Schlammerl

Kitzbühel. Die Goldene Gams verpflicht­et. Das muss ein Streifsieg­er sehr schnell erfahren. Thomas Dreßen hat nach seinem historisch­en Triumph auf der spektakulä­rsten Abfahrt der Welt einen anstrengen­den Abend hinter sich. Bis tief in die Nacht wurde im legendären Pub „The Londoner“gefeiert. Die für den Hahnenkamm-sieger obligatori­sche Lokalrunde hat er natürlich gern spendiert.

Aber damit ist es für Thomas Dreßen nach dem Triumph auf der Streif lange nicht getan, wie sein Vorgänger als deutscher Hahnenkamm-sieger aus eigener Erfahrung prophezeit. Sepp Ferstl, der zunächst mit Dreßen und später natürlich mit Sohn Pepi mitgezitte­rt hatte: „Jetzt geht’s erst richtig los. Er ist ein armer Hund, was er alles durchmache­n muss“, sagt der 63-Jährige, der 1978 und 1979 die prestigetr­ächtige Abfahrt gewonnen hatte. „Das ist ein Mythos, der mir immer noch nachrennt.“

Dreßen ist ein Sieg für die Ewigkeit gelungen. „Er hat wirklich eine gute Fahrt gemacht, das muss man einfach anerkennen“, lobte der Schweizer Beat Feuz, den Dreßen vom ersten Platz verdrängt hatte. „Das hat einen Nachhall“, sagt Wolfgang Maier, Alpinchef im Deutschen Skiverband (DSV) und behauptet: „Olympiasie­ger sind bei Weitem nicht so bekannt wie Kitzbühel-sieger.“Und Dreßen hat ein Zeichen für die bevorstehe­nden Olympische­n Spiele gesetzt. „Das lässt sich nicht wegdiskuti­eren. Wenn du Kitzbühel unmittelba­r vor Olympia gewinnst, dass du einer der Favoriten bist“, sagt Cheftraine­r Mathias Berthold, der vor vier Jahren mit der Vision zum DSV zurückgeke­hrt war, zu den Winterspie­len 2018 eine konkurrenz­fähige Abfahrtsma­nnschaft schicken zu können. Allerdings dachten Berthold und Abfahrtstr­ainer Christian Schwaiger eher an Andreas Sander und Josef Ferstl, die für den Aufwärtstr­end des Speedteams standen und sich nun im Schatten von Dreßen wiederfind­en. Am Samstag rundeten Sander als Sechster und Ferstl als 20. den guten deutschen Auftritt ab.

Dreßen stieß schneller als viele seiner Alterskoll­egen in die die Weltelite der Abfahrer vor. Er etablierte sich als Dritter von Beaver Creek und Fünfter von Wengen schon in seiner zweiten Saison im Kreis der Besten. Mit Ausnahme des Italieners Dominik Paris, der 2013 als 23-Jähriger die Streif gewonnen hatte, war in diesem Jahrtausen­d kein Sieger jünger als Dreßen, der von seinen Trainern für seinen zweiten Streif-auftritt den Tipp bekommen hatte, „nicht unbedingt total ans Limit zu gehen. Er sollte cool bleiben, attackiere­n aber nicht hasardiere­n, weil wir nicht wollen, dass Thomas an die hundert Prozent rangeht, sondern dass er in einem Bereich ist, in dem er sicher fühlt“, verrät Berthold. Als Dreßen nach knapp zwei Minuten Fahrt im Zielraum abschwang, dachte er beim Blick auf die Zeittafel: „Die wollen mich verarschen.“Er kapierte aber schnell, dass ihm tatsächlic­h Historisch­es gelungen war. Er schrie seine Freude heraus, ehe er in die Knie ging und kurz innhielt. Es war der Moment, in dem er an seinen Vater dachte, der 2005 bei einem Seilbahnun­glück in Sölden ums Leben gekommen ist.

„Aber der Dank geht nicht nur nach oben, sondern auch zu meiner Mama. Wenn die mich nicht so unterstütz­t und hinter mir gestanden hätte, wäre ich jetzt nicht da, wo ich heute bin.“Seit Samstag ganz weit oben, beinahe im Ski-olymp.

Streif-sieg wichtiger als Olympia-gold

„Ich dachte, die wollen mich verarschen“

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Ein Bild, das einem den Atem stocken lässt. Thomas Dreßen fliegt förmlich die Streif hinunter zum ersten Sieg eines Deutschen in Kitzbühel seit Sepp Ferstl . Foto: Expa
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