Dreßen feiert auf der Streif einen Sieg für die Geschichtsbücher
39 Jahre lang war es keinem Deutschen gelungen, das legendäre Hahnenkamm-rennen in Kitzbühel zu gewinnen
Kitzbühel. Die Goldene Gams verpflichtet. Das muss ein Streifsieger sehr schnell erfahren. Thomas Dreßen hat nach seinem historischen Triumph auf der spektakulärsten Abfahrt der Welt einen anstrengenden Abend hinter sich. Bis tief in die Nacht wurde im legendären Pub „The Londoner“gefeiert. Die für den Hahnenkamm-sieger obligatorische Lokalrunde hat er natürlich gern spendiert.
Aber damit ist es für Thomas Dreßen nach dem Triumph auf der Streif lange nicht getan, wie sein Vorgänger als deutscher Hahnenkamm-sieger aus eigener Erfahrung prophezeit. Sepp Ferstl, der zunächst mit Dreßen und später natürlich mit Sohn Pepi mitgezittert hatte: „Jetzt geht’s erst richtig los. Er ist ein armer Hund, was er alles durchmachen muss“, sagt der 63-Jährige, der 1978 und 1979 die prestigeträchtige Abfahrt gewonnen hatte. „Das ist ein Mythos, der mir immer noch nachrennt.“
Dreßen ist ein Sieg für die Ewigkeit gelungen. „Er hat wirklich eine gute Fahrt gemacht, das muss man einfach anerkennen“, lobte der Schweizer Beat Feuz, den Dreßen vom ersten Platz verdrängt hatte. „Das hat einen Nachhall“, sagt Wolfgang Maier, Alpinchef im Deutschen Skiverband (DSV) und behauptet: „Olympiasieger sind bei Weitem nicht so bekannt wie Kitzbühel-sieger.“Und Dreßen hat ein Zeichen für die bevorstehenden Olympischen Spiele gesetzt. „Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Wenn du Kitzbühel unmittelbar vor Olympia gewinnst, dass du einer der Favoriten bist“, sagt Cheftrainer Mathias Berthold, der vor vier Jahren mit der Vision zum DSV zurückgekehrt war, zu den Winterspielen 2018 eine konkurrenzfähige Abfahrtsmannschaft schicken zu können. Allerdings dachten Berthold und Abfahrtstrainer Christian Schwaiger eher an Andreas Sander und Josef Ferstl, die für den Aufwärtstrend des Speedteams standen und sich nun im Schatten von Dreßen wiederfinden. Am Samstag rundeten Sander als Sechster und Ferstl als 20. den guten deutschen Auftritt ab.
Dreßen stieß schneller als viele seiner Alterskollegen in die die Weltelite der Abfahrer vor. Er etablierte sich als Dritter von Beaver Creek und Fünfter von Wengen schon in seiner zweiten Saison im Kreis der Besten. Mit Ausnahme des Italieners Dominik Paris, der 2013 als 23-Jähriger die Streif gewonnen hatte, war in diesem Jahrtausend kein Sieger jünger als Dreßen, der von seinen Trainern für seinen zweiten Streif-auftritt den Tipp bekommen hatte, „nicht unbedingt total ans Limit zu gehen. Er sollte cool bleiben, attackieren aber nicht hasardieren, weil wir nicht wollen, dass Thomas an die hundert Prozent rangeht, sondern dass er in einem Bereich ist, in dem er sicher fühlt“, verrät Berthold. Als Dreßen nach knapp zwei Minuten Fahrt im Zielraum abschwang, dachte er beim Blick auf die Zeittafel: „Die wollen mich verarschen.“Er kapierte aber schnell, dass ihm tatsächlich Historisches gelungen war. Er schrie seine Freude heraus, ehe er in die Knie ging und kurz innhielt. Es war der Moment, in dem er an seinen Vater dachte, der 2005 bei einem Seilbahnunglück in Sölden ums Leben gekommen ist.
„Aber der Dank geht nicht nur nach oben, sondern auch zu meiner Mama. Wenn die mich nicht so unterstützt und hinter mir gestanden hätte, wäre ich jetzt nicht da, wo ich heute bin.“Seit Samstag ganz weit oben, beinahe im Ski-olymp.
Streif-sieg wichtiger als Olympia-gold
„Ich dachte, die wollen mich verarschen“