Physiotherapeuten schlagen Alarm: Praxen geht der Nachwuchs aus
Der Landesverband Thüringen kritisiert geringe Bezahlung und hofft auf Wegfall des Schulgeldes bei der Ausbildung
Rudolstadt. Immer weniger Schüler wollen sich in Thüringen zum Physiotherapeuten ausbilden lassen. Absolvierten 2012 noch 349 Jugendliche an den 15 Thüringer Berufsschulen eine entsprechende Ausbildung – so sind es nun 200 weniger. „Der Trend ist alarmierend, vor allem für niedergelassene Praxen. Ein Großteil der Azubis geht nach dem Abschluss lieber in Kliniken, in andere Bundesländer oder sogar ins Ausland“, sagt Hartmut Roschka-haubold, Vorstandsvorsitzender des Landesverbandes für Physiotherapie in Thüringen. Derzeit gibt es hierzulande 1524 Physiotherapiepraxen.
Die dreijährige Ausbildung in den Einrichtungen, die in Bad Salzungen, Erfurt, Gera, Heiligenstadt, Jena, Mühlhausen, Nordhausen, Saalfeld und Stützerbach stehen, umfasse zudem lediglich die Grundlagen der Physiotherapie. Die für den Praxisalltag wichtigen Fähigkeiten wie Lymphdrainage oder manuelle Therapie würde man nicht erlernen, dafür seien weitere kostenintensive Kurse notwendig. „Zumindest könnte bei einer neuen großen Koalition in Berlin die Bezahlung des Schulgeldes wegfallen“, hofft Roschka-haubold. Entsprechende Signale hätte es in den Sondierungsgesprächen gegeben.
Als „zu niedrig“stuft der 41Jährige, der eine Praxis in Rudolstadt hat, die Bezahlung auch mit Blick auf die Rentenvorsorge ein. Im Freistaat würde ein Angestellter in Vollzeit 1700 brutto verdienen. Das hätte eine Umfrage des Physio-bundesverbandes ergeben. Die Einnahmen für Praxisinhaber wären nur unwesentlich höher. „Die durchschnittliche Nettovergütung liegt laut Bundesamt für Arbeit bei 1820 Euro.“Hoffnung mache, dass zwei neue Gesetzpakete diesbezüglich zu Veränderungen und damit auch zu mehr Anreiz führen .
Für die Techniker Krankenkasse bestätigt die Thüringer Sprecherin, Christiane Haunanderle, eine niedrigere Vergütung von Thüringer Physiotherapeuten im Vergleich zu anderen Bundesländern. „Viele Auszubildende schauen sich deshalb entweder in anderen Bundesländern um oder wählen den Beruf gar nicht mehr. Um die nötigen Fachkräfte im Land zu halten, muss das geändert werden, ähnlich wie beim Pflegepersonal“, so Haun-anderle. Vergütungen würden von den Krankenkassen mit Interessenvertretern und Verbänden der Leistungserbringer verhandelt. Unterschiede zwischen den Kassen von bis zu 25 Prozent seien auch der jeweiligen Marktmacht geschuldet.
Die Absprachen für die TK laufen bundesweit über den Verband der Ersatzkassen. „Generell wird ein Angleichen der Sätze zwischen Ost und West angestrebt“, so Haun-anderle.
Auch bei der AOK plus sei man sich des Problemes bewusst, sagt Hannelore Strobel. „Für März werden gerade Vergütungsverhandlungen mit den Landesverbänden in Thüringen vorbereitet. Denen möchten wir jetzt noch nicht vorgreifen“, so die Sprecherin.
Kassen spielen ihre Marktmacht aus