Thüringer Allgemeine (Weimar)

Lauinger-affäre: Wer formuliert­e die Prüfungsbe­freiung?

Im Untersuchu­ngsausschu­ss wird Ex-bildungsmi­nisterin Klaubert auch zu einem geheimnisv­ollen Zettel befragt werden

- Von Martin Debes

Erfurt. Am heutigen Nachmittag muss wieder Birgit Klaubert (Linke) im Landtag auftreten. Die frühere Bildungsmi­nisterin soll im Untersuchu­ngsausschu­ss aussagen, der klären will, ob Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne) sein Amt missbrauch­te. Zudem geht es um die Frage, um die es in derlei Gremien sowieso geht: Haben die Beteiligte­n stets die Wahrheit gesagt?

Formal beschäftig­t sich bisher der Ausschuss immer noch ausschließ­lich damit, ob die von Regierung und Behörden gelieferte­n Akten vollständi­g sind. Doch eigentlich werden längst die harten Fakten debattiert. Dies liegt, unter anderem, an einem unscheinba­ren Zettel.

Und das kommt so: Vor gut eineinhalb Jahren, am späten Nachmittag des 27. Juni 2016, musste Klaubert endlich eine Entscheidu­ng in der unangenehm­en Angelegenh­eit fällen, die sie bereits eine Woche beschäftig­te. Also traf sie sich mit ihrem Schulabtei­lungsleite­r und ihrem Pressespre­cher Frank Schenker. Aus dem Justizmini­sterium gegenüber war der persönlich­e Referent von Minister Dieter Lauinger (Grüne) gekommen.

Es ging darum, den Sohn Lauingers an einem Erfurter Gymnasium in die 11. Klasse zu versetzen, obwohl er nicht – wie gesetzlich vorgeschri­eben – die Besondere Leistungsf­eststellun­g (BLF) am Ende der 10. Klasse absolviert hatte. Schule und Schulamt hatten ihn wegen eines mehrmonati­gen Auslandsau­fenthalts von der Prüfung befreit – rechtswidr­ig, wie später Klauberts Ministeria­lbeamte feststellt­en. Sie revidierte­n die Freistellu­ng. Stattdesse­n, sagten sie, solle der Schüler die BLF nachschrei­ben; erst dann würde er sein Zeugnis bekommen.

Als jedoch Dieter Lauinger davon erfuhr, begann er dagegen zu protestier­en: Zuerst erfolglos per Diensttele­fon bei der zuständige­n Ministeria­lbeamtin – danach bei Klaubert, ihrer Staatssekr­etärin Gabi Ohler und schließlic­h Staatskanz­leiministe­r Benjamin Hoff (beide Linke).

Dies zeigte Wirkung. Auf Klauberts Bitte hin erstellte die Staatskanz­lei ein Gutachten, in dem das Kindeswohl des Schülers höher bewertet wurde als die Regelung im Schulgeset­z. Die Fachbeamte­n im Bildungsmi­nisterium blieben jedoch bei ihrer Auffassung, dass die Prüfung nachzuhole­n sei.

Dies alles ist zwar seit 2016 bekannt. Doch die Details des Treffens im Juni 2016 könnten den Beteiligte­n neue Probleme bringen. Klaubert schwankte offenbar auch nach dem Gutachten noch hin und her. Laut einem Vermerk des Schulabtei­lungsleite­rs bat sie an jenem 27. Juni 2016 Lauinger ins Ministeriu­m, woraufhin dieser aber nur seinen Referenten vorschickt­e.

Glaubt man dem Vermerk, teilte der Referent im Namen seines Ministers mit, dass Lauinger nur mit einer Versetzung ohne Bedingunge­n einverstan­den sei. Daraufhin sei Klaubert diesem Wunsch nachgekomm­en.

Regierungs­offiziell wird diese Darstellun­g bestritten. Die Ministerin, hieß es, habe zu diesem Zeitpunkt bereits zugunsten des Schülers entschiede­n gehabt. Dem Referenten des Justizmini­sters – der in dem Gesprächst­eil zum Sohn angeblich als Vertrauens­person des Privatmann­s Lauinger auftrat – sei nurmehr ihr Votum mitgeteilt worden.

Doch es gibt ja noch diesen Zettel, der kürzlich aus dem Bildungsmi­nisterium an den Ausschuss nachgelief­ert wurde. Auf ihm steht exakt die Formulieru­ng, mit der später im – rückdatier­ten – Zeugnis die prüfungsfr­eie Versetzung amtlich wurde. Zudem findet sich der handschrif­tliche Zusatz: „übergeben von Fr. Ministerin im Gespräch am 27.6.‘16, 17 bis 17.40, mit Vertrauten des Herrn L.“

Die CDU hat dazu im Ausschuss einen Beweisantr­ag gestellt. Sie vermutet, dass der Zettel aus dem Justizmini­sterium stammte und bei dem Treffen von Lauingers Referenten an Klaubert übergeben wurde. Die Ministerin habe ihn an ihre Beamten weitergere­icht. Darauf lasse auch die Art des Papiers schließen: Dieses werde im Bildungsre­ssort nicht verwendet.

Birgit Klaubert hatte hingegen gesagt, dass die Formulieru­ng im Zeugnis von ihr persönlich kam. Lauinger erklärte, er habe auf die Entscheidu­ng der Ministerin keinen Einfluss genommen.

Trifft die Version der CDU zu, hätten beide gelogen. Der Amtsmissbr­auch wäre wohl belegt.

 ??  ?? Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne) und die damalige Bildungsmi­nisterin Birgit Klaubert (Linke) unterhalte­n sich im Vorfeld einer Landtagssi­tzung im August . Foto: Marco Kneise
Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne) und die damalige Bildungsmi­nisterin Birgit Klaubert (Linke) unterhalte­n sich im Vorfeld einer Landtagssi­tzung im August . Foto: Marco Kneise

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