Testspiel für künftige Arbeitsrechtler
Jura-studenten kämpfen im Verhandlungsturnier am Bundesarbeitsgericht in Erfurt um Glanz, Glorie und viel Erfahrung
Erfurt. Manchmal dauert ein Spiel keine 90 Minuten – aber im Gerichtssaal herrschen auch andere Regeln als auf dem Fußballplatz. Zum siebten Mal veranstaltet das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt seinen sogenannten Moot-court-wettbewerb. Bei diesen fiktiven Gerichtsverhandlungen treten Teams von Jura-studenten verschiedener Universitäten aus ganz Deutschland mit Schwerpunkt Arbeitsrecht gegeneinander in 50-minütigen, nachgestellten Verhandlungen an. Den Siegern winkt viel Renommee.
Lassen wir die Partie also beginnen. Es spielt Bremen gegen Marburg und es geht um einen angestellten Heizungsbau-meister, der seinen Arbeitgeber verklagt, weil er in seinem Urlaub hatte per Smartphone erreichbar sein müssen:
Bremen stürmt – Marburg verteidigt aggressiv
Der Unparteiische – Richter Oliver Karl Klose – deutet mit der Hand auf die Seite der Klägervertretung (Bremen) und gibt das Spiel frei. Anstoß Anina Johanna Michel! Das 20-jährige Nachwuchstalent aus Apolda spielt sogleich druckvoll für ihre norddeutsche Uni nach vorn: „Er wurde wiederholt im Urlaub gestört, Erholung war nicht möglich. Nach Paragraf 8 Bundesurlaubsgesetz ist jedwede Tätigkeit verboten.“Es folgt ein flinker Pass auf Teamkollege Boris Dubov, der die zu Beginn noch offenen Räume in der Deckung der Marburger zu nutzen weiß: „Aus dem Europarecht ergibt sich ein noch strikterer Maßstab.“Der Schuss saß. Dubov (23) hat sein Handwerk auch in Thüringen gelernt, studierte in Erfurt Staatswissenschaften. Bremen fordert Ersatzurlaub und 180 Euro Vergütung.
Nun spielt Marburg auf. Richter Klose erteilt der Beklagtenvertretung das Wort. Caroline Schall (23) hat sich von den unermüdlichen Angriffen der Bremer nicht beeindrucken lassen. Sie mauert sofort: „Hohes Gericht. Der Kläger hat seinen Urlaub mit Ausfüllen des entsprechenden Formulars ordnungsgemäß angetreten.“Der Handwerksmeister zähle zudem zu den leitenden Angestellten. Da müsse er auch im Urlaub für die Firma erreichbar sein.
Jetzt wird die Partie aufregend. Die Marburgerin schiebt den Ball zu Mitspielerin Katja Hirdes (29): „Kein Anrecht auf gesonderte Vergütung.“Es wird ein Doppelpass. Hirdes gibt zurück zu Schall. Marburg will den Punkt unbedingt und versucht nun, durch entsprechende Anwendung einer Vorschrift des Arbeitszeitgesetzes eine Lücke im Bundesurlaubsgesetz auszufüllen. Oh, grobes Foul!
(Schieds-)richter Klose wird sie dazu später beiseite nehmen und den Ansatz, den Meister als leitenden Angestellten darzustellen und deshalb das Bundesurlaubsgesetz nicht gelten lassen zu wollen, lächelnd eine kreative Idee nennen. „Habe ich so noch nicht gehört.“
Nach Ende der gespielten Verhandlung – insgesamt treten an diesem Tag 30 Teams verschiedener Unis in den Verhandlungssälen des BAG an – schütteln sich die Kontrahenten die Hände. Komplimente fliegen hin und her: „Hast du gut gemacht“oder „Du hast total souverän ausgesehen“. Die Kammer aus drei Richtern am BAG zieht sich zur Beratung zurück. Jedes Team erhält hinter verschlossenen Türen eine Auswertung der Stärken und Schwächen ihrer juristischen Argumentation. Vier Teams werden für die Halbfinals ausgewählt. Im Finale treffen die beiden besten aufeinander und messen sich in der spontanen Beantwortung einer Zusatzfrage, die der Geschichte um den Heizungsbaumeister eine weitere Facette hinzufügt. Den Sieg sichern sich schlussendlich Iuliia Voronova und Julian Westphal von der Freien Universität Berlin.
Auf die Frage, warum sie am arbeitsrechtlichen Moot-courtwettbewerb teilnimmt, antwortet die Apoldaerin Anina Johanna Michel: „Es ist eine einmalige Gelegenheit. Als Jurist dauert es ewig, bis man vielleicht mal in ein Bundesgericht kommt.“Ihre Gegnerin Hirdes fügt an: „Es ist ein spannendes Rechtsgebiet. Man kann eine Verhandlung vor richtigen Richtern testen und muss zum Beispiel einen Schriftsatz vorbereiten. Das macht man im Studium nie.“
Das Niveau steige spürbar, seit das Gericht vor zehn Jahren zum ersten Mal den mittlerweile zur Tradition gewordenen Wettbewerb veranstaltet hat, erklärt Organisator Oliver Karl Klose, seit 2011 Richter am BAG: „Man merkt es am Auftreten, der Rhetorik und Kleidung der Teilnehmer.“Für die Institution wie für die Studenten sei damit ein erheblicher Aufwand verbunden. Aber es lohne sich: „Wer hier mitmacht, beweist sein außerordentliches Engagement im Fachgebiet.“