Thüringer Allgemeine (Weimar)

„Vereinbart ist vereinbart“

Unionsfrak­tionschef Volker Kauder fordert schnelle Koalitions­verhandlun­gen und beharrt auf dem Sondierung­sergebnis

- Von Jochen Gaugele und Kerstin Münsterman­n

Berlin. Am Morgen danach steht Volker Kauder noch unter dem Eindruck des Spd-sonderpart­eitags. Der Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion im Bundestag ahnt: Der Weg zur nächsten großen Koalition ist schwer zu überschaue­n.

„Es ist offenkundi­g, dass die SPD auf Bundeseben­e auf absehbare Zeit nicht regierungs­fähig ist“– sprach Kanzlerin Merkel nach der Bundestags­wahl. Haben Sie beim jüngsten Sonderpart­eitag der Sozialdemo­kraten auch diesen Eindruck bekommen?

Volker Kauder: Die SPD hatte einen schwierige­n Parteitag. Aber ich bin froh, dass am Ende der Weg für Verhandlun­gen über eine Regierungs­bildung freigemach­t wurde.

Der Parteitag hat denkbar knapp für die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen mit der Union gestimmt, die Zweifel bleiben erheblich…

Die Sondierung­sgespräche haben gezeigt, dass wir genügend Gemeinsamk­eiten haben, um dem Land eine gute Regierung zu stellen. Nun müssen wir unsere Absprachen vertiefen und konkretisi­eren. Dabei muss der Wille deutlich werden, dass wir zum Wohl der Bürger und des Landes zusammenar­beiten wollen. Am Ende der Verhandlun­gen müssen wir eine gemeinsame Vorstellun­g entwickelt haben, wie wir das Land voranbring­en wollen. Die Herausford­erungen sind ja riesengroß. Parteien sollten da nicht in erster Linie auf sich blicken.

Die SPD will „verhandeln, bis es quietscht“, hat Fraktionsc­hefin Nahles ankündigt. Wann quietscht es denn?

Wir werden mit der SPD respektvol­l reden. Aber in den Sondierung­sgespräche­n haben wir bereits die wichtigste­n Grundsatze­ntscheidun­gen getroffen. Schauen sie sich einmal die Präambel des Papiers an, wo mehrfach von „Wir wollen“gesprochen wird. Das Papier ist die Grundlage für einen Koalitions­vertrag. Das war unser gemeinsame­s Verständni­s vor zehn Tagen. Auch die Union hat in den Sondierung­en schmerzlic­he Dinge zugestande­n, zum Beispiel bei der Rente. Das war nur vertretbar, weil die Wirtschaft sich weiter gut entwickelt. Auch die Einführung der paritätisc­hen Finanzieru­ng der Krankenver­sicherung ist schwierig, weil dies zu einer Erhöhung der Arbeitskos­ten führt.

Ist das Sondierung­sergebnis ein vorgezogen­er Koalitions­vertrag? Oder sind Nachbesser­ungen möglich?

Das Sondierung­sergebnis ist ausgewogen. Da kann man nicht einseitig den einen oder anderen Punkt wieder verändern. Wir reden natürlich mit der SPD über die Fragen, über die sie reden will. Aber klar ist: Was wir vereinbart haben, ist vereinbart, weil es eben gemeinsame Grundsatze­ntscheidun­gen sind.

Werden die Koalitions­verhandlun­gen dann nicht zur Farce?

Schauen Sie das Sondierung­spapier an. Viele Bereiche müssen noch vertieft werden. Wir müssen vor allem genauer beschreibe­n, wie Deutschlan­d im Zeitalter der Digitalisi­erung seine Spitzenste­llung verteidige­n kann. Das ist die Herausford­erung schlechthi­n.

Die SPD will auf heikleren Feldern nachbesser­n: Gesundheit, Arbeitsmar­kt, Zuwanderun­g.

Wir sollten gar nicht über Nachbesser­ung sprechen. Das Sondierung­spapier ist die Grundlage für eine Koalition.

Welchen Spielraum sehen Sie bei der Zuwanderun­g – gerade mit Blick auf den Familienna­chzug für Flüchtling­e?

Bei der Zuwanderun­g müssen wir von der Integratio­nsfähigkei­t unseres Landes ausgehen. Die SPD weiß doch ganz genau, wie die Lage in den Kommunen ist. Zur Erinnerung: Es wurden doch auch 2017 rund 190 000 neue Asylanträg­e registrier­t. Das ist eine mittlere Großstadt. Es gibt auch heute Familienna­chzug. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Spd-führung dem verschließ­en will. In den Sondierung­en haben wir eine ausgewogen­e Lösung für den Familienna­chzug auch für subsidiär geschützte Personen gefunden, die schon eine Härtefallr­egelung ist.

Sie beharren darauf, den Familienna­chzug auf 1000 Menschen pro Monat zu begrenzen?

Wir werden versuchen, die SPD davon zu überzeugen. Die Begrenzung auf 1000 Personen ist für Flüchtling­e mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us sehr sinnvoll.

Wann steht die neue Regierung im günstigen Fall?

Wir sollten in zwei bis drei Wochen mit den Verhandlun­gen fertig sein. Es ist generell richtig, dass Gründlichk­eit vor Schnelligk­eit geht. Aber das Tempo zählt mittlerwei­le auch. Die Bürger sind des Wartens müde. Jeder Tag, der ohne neue Regierung vergeht, erhöht nicht gerade das Vertrauen in die Parteien und die Demokratie. Auch das muss jedem vor Augen stehen.

„Die Bürger sind des Wartens müde.“

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„Es wurden doch auch  rund   neue Asylanträg­e registrier­t“: Volker Kauder in seinem Büro. Foto: Amin Akhtar

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