Thüringer Allgemeine (Weimar)

Drei Schutzenge­l für Martin Schulz

Nahles, Dreyer und Schwesig retten beim Groko-parteitag den geschwächt­en Spd-vorsitzend­en – nur zwei der drei Frauen wollen nach ganz oben

- Von Tim Braune

Berlin. Beide haben nur ein paar Stunden geschlafen. Nach dem Parteitag in Bonn, wo die Sozialdemo­kraten sich nur mit knappen 56 Prozent zu einem Ja für Koalitions­verhandlun­gen mit der Union durchrange­n, waren Andrea Nahles und Martin Schulz am Montagmorg­en schon wieder in Berlin unterwegs. In einer Sondersitz­ung informiert­en sie die Spd-bundestags­fraktion, wie der Fahrplan Richtung Groko aussehen soll. Nahles bekam in der von ihr geführten Fraktion viel Lob für ihre Bonner Ruck-rede. Ohne sie („Wir werden verhandeln, bis es quietscht!“) wäre die Sache in Bonn vielleicht schiefgega­ngen.

Auch die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer, die den Parteitag mit einer klugen Rede eröffnete, und ihre Amtskolleg­in in Mecklenbur­gvorpommer­n, Manuela Schwesig, sorgten mit dafür, dass Schulz am Rhein karrierete­chnisch nicht baden ging.

Dreyer war in Bonn eine Schlüsself­igur. Sie genießt hohes Ansehen in der SPD, wurde im Dezember mit mehr als 97 Prozent zur Bundesvizi­n gewählt, verteidigt­e 2016 nach riesigem Rückstand in den Umfragen ihren Regierungs­job in Mainz. Nach dem Jamaikasch­eitern trommelte sie dafür, dass die SPD eine von Angela Merkel angeführte Minderheit­sregierung dulden sollte. Sie sei keineswegs zu einem Grokofan mutiert. Schwarz-rot sei ein Zweckbündn­is, die „Ultima Ratio“. Die SPD könne aber nicht in eine Neuwahl mit jenen Themen ziehen, die man mit der Union jetzt umsetzen könne. Aber Spd-chefin und Kanzlerkan­didatin? Berlin sei kein Thema.

Schwesig fiel in Bonn ebenso positiv auf. Die Ex-familienmi­nisterin, seit Sommer „Landesmutt­er“in Schwerin, pries die mit einer Groko geplanten „Mega-investitio­nen“in die Bildung und eine Milliarde Euro zur Bekämpfung der Kinderarmu­t. Schwesig ist ehrgeizig, will aber erst in „Meck-pomm“eine Wahl gewinnen. So ist Nahles derzeit Nummer eins der Spdtopfrau­en – nach der ganzen Macht will aber auch sie (noch) nicht greifen.

Nahles, Dreyer, Schwesig – gegen ihren Willen läuft in der SPD so gut wie nichts. Alle drei sind zwar schon lange im Geschäft – aber trotzdem Hoffnungst­rägerinnen bei der Erneuerung der verkrustet­en Sozialdemo­kratie.

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