Frauenschicksale im Kloster
Nordhausens Theater bereitet sich auf Poulencs „Gespräche der Karmeliterinnen“vor
Wir sprechen über eine Oper des 20. Jahrhunderts. Klingt sie denn auch wie Nachkriegsware?
Es klingt nicht so, wie wir es von der deutschen Nachkriegsmusik gewohnt sind, sondern wesentlich melodischer und harmonischer. Poulenc hat eigenwillige Harmonien geschrieben, aber sie sind doch klangschön und sangbar für die Solisten. Niemand muss davor Angst haben.
Donaueschingen 1957 wäre etwas völlig anderes.
Poulenc ist in Donaueschingen verschmäht worden, und die zeitgenössische Avantgarde hat die Nase darüber gerümpft, dass da einer noch so tonal schreibt.
Autodidakt, Lebemann, Katholik: Ist Poulenc damit hinreichend charakterisiert?
Ja, das trifft es ganz gut.
Können Sie die äußere Handlung der Oper in drei Sätzen zusammenfassen?
Es geht um das Schicksal einer jungen Frau, Blanche de la Force, einer erfundenen Figur, die ihre Angststörungen bekämpft und letzten Endes überwindet und ihren Platz im Leben in einem Karmeliterinnenkloster findet. Dieses Kloster – Vorbild ist Compiegne – wird von den Revolutionären aufgehoben; die Nonnen dürfen sich nicht mehr versammeln und sollen Die Karmeliterinnen sollen nach der Revolution das Kloster verlassen. Sie weigern sich – mit aller Konsequenz.
das Kloster verlassen. Da sie sich weigern, werden sie am Ende allesamt auf dem Schafott hingerichtet – auch Blanche, trotz ihrer Ängste. Sie fühlt sich durch die Gemeinschaft so sehr gestärkt, dass sie für ihren Glauben in den Tod geht.
Der Schluss geht sehr unter die Haut. Muss man das Publikum darauf vorbereiten?
Es ist sehr ergreifend, nicht aber in irgendeiner Weise schockierend oder traumatisierend. Musikalisch und auch durch die Situation auf der Bühne gehört diese Szene für mich zu den besten in der Opernliteratur des 20. Jahrhunderts.
Was hat Sie an dieser Oper gereizt? Ist es ein Frauenstück oder sogar eines über religiösen Fundamentalismus?
Es sind echte Dialoge, die in ihrer Struktur sehr spannend sind, sodass man genau auf die Worte achten muss. Ich finde all das sehr glaubwürdig und sehr inspirierend.
Die Frauen gehen für den Glauben in den Tod. Ist das nicht ein Merkmal ihres Fundamentalismus?
Eine heikle Frage. Ich habe sie mir auch lange gestellt. Ich gehe immer davon aus, dass das Leben mehr wert ist als der Tod, war also alles andere als unkritisch. Das Schöne ist aber, dass in diesem Stück sehr unterschiedliche Haltungen aufgezeigt werden: zum Beispiel Blanche, die vor allem Angst hat, Mère Marie, die durchaus recht fundamentalistisch gestimmt ist, oder die Priorin, die das Ganze auflöst mit einer großen Weisheit und Menschlichkeit. 1794 sind die 16 Nonnen von Compiegne tatsächlich hingerichtet worden, im ,Dritten Reich‘ sind Priester und Klosterschwestern für ihren Glauben im KZ gestorben, und religiöse Verfolgung findet bis heute in vielen totalitären Ländern statt. Dass jemand einen Glauben lebt, der so stark ist, dass er bereit ist, dafür zu sterben, fasziniert mich.
Der Diskurs über den Glauben bildet die innere Handlung der Oper. Ist das nicht altmodisch?
Poulencs „Dialogues“greifen darüber hinaus. Man kann sie ebenso gut als eine philosophische Betrachtung verstehen.
Poulenc selbst fragte: „Stehen nicht Zuversicht und Gelassenheit an der Wurzel aller metaphysischen Erfahrung?“– Ist es vielleicht das, was uns heute fehlt?
Die Menschen sehnen sich mehr denn je nach spiritueller Erfahrung. Deshalb ist Poulenc so aktuell.
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Die Premiere steht am Freitag, . Januar , . Uhr im Theater Nordhausen auf dem Spielplan.