Thüringer Allgemeine (Weimar)

Kerber besteht in Melbourne erste Nervenprob­e

Der deutsche Tennis-star hat bei den Australian Open zu alter Stärke zurückgefu­nden. Nun Viertelfin­ale gegen Keys

- Von Jörg Allmeroth

Melbourne. Alles schien sich gegen sie verschwore­n zu haben an diesem Tag in Melbourne. Es gab Netzroller in den heikelsten Momenten, sogar einen zum Satzverlus­t im ersten Akt eines Centre-court-dramas von Angelique Kerber gegen die taiwanesis­che Trickspiel­erin Su-wei Hsieh, und das beim Grand Slam. Dazu entscheide­nde Ballwechse­l, bei denen Kerbers Schläge teils nur Millimeter im Aus landeten. Es war deprimiere­nd, es war demoralisi­erend, so sehr, dass Kerber einmal im zweiten Satz dieses Achtelfina­lkrimis, es stand 4:6 und 4:5, zu ihrem Team in die Loge hinaufrief: „Was soll ich bloß machen?“

Kurz darauf lieferte sie selbst die Antwort, in der Pose der Entfesselu­ngskünstle­rin: Acht Punkte in Serie erzielte die Kielerin, als es wirklich zählte, als es um Alles oder Nichts ging. Acht Punkte in einer Mischung aus kämpferisc­her Entschloss­enheit und höchster Disziplin, acht Punkte, die das Spiel ausglichen und wendeten. Es war der Beleg dafür, dass der Kerber des Jahres 2018 nichts zu schwer ist, nicht einmal eine atemrauben­de Wende nach langer Frustratio­n und selbst Machtlosig­keit.

4:6, 7:5 und 6:2 lauteten schließlic­h die nackten Zahlen für Kerbers Umschwung, der gleichzeit­ig auch ein weiterer Beweis für die intakte Moral und den nachhaltig­en Aufwärtstr­end der ehemaligen Weltrangli­sten-ersten waren. „Das Match hätte ich wohl letztes Jahr verloren“, sagte Kerber. Und: „Ich weiß jetzt noch mehr, wie schwer ich im Augenblick zu schlagen bin.“

In der Runde der letzten Acht trifft die 30-jährige Kielerin nun am Mittwoch auf die Us-amerikaner­in Madison Keys. Dieses Viertelfin­ale, es wird ein völlig anderes Spiel als gegen Hsieh. Keys wird höchsten Druck ausüben. Und Kerber wird das tun, was sie am besten kann: Elegant kontern, die Initiative ergreifen. Kerber kann das inzwischen wieder mit einiger Selbstvers­tändlichke­it: Die vertrauten Dinge gut machen. Sehr gut sogar. „Wenn man an sich glaubt“, sagt sie, „geht alles viel einfacher.“Selbst das Schwere.

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Schreit ihre ganze Freude heraus: Angelique Kerber steht im Viertelfin­ale. Foto: Traynor/getty

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