Schmerzen in der Hand durchs Smartphone
Reiner Oberbeck, Chefarzt im Geraer Waldklinikum, über die noch jungen Phänomene Handynacken und Handydaumen
Gera. Exzessiver Handy-gebrauch kann Beeinträchtigungen hervorrufen. Augenärzte warnen vor Kurzsichtigkeit bei Kindern und trockenen Augen. Auch Begriffe wie Handynacken und Handydaumen hört man inzwischen häufiger. Im Ta-gespräch erklärt Reiner Oberbeck, Chefarzt der Handchirurgie am Srh-waldklinikum Gera, das Problem.
Herr Oberbeck, Was genau versteht man unter einem Handydaumen?
Die Hand des Menschen unterscheidet sich von der Affenhand dadurch, dass der Daumen den anderen Fingern gegenübergestellt werden kann. Deshalb wird beim Handytippen oft alles über ihn gesteuert. Bei übermäßiger Belastung entzündet sich die Sehne im Bereich eines Sehnenkanals am Handgelenk. Durch die Entzündung schwillt die Sehnenscheide an, und der Kanal wird zu eng. Das verstärkt die Reibung, und es kommt zu einem schmerzhaften Kreislauf aus Schwellung und Entzündung. Insofern ist der Handydaumen eine Sehnenscheidenentzündung am Übergang des Daumens zum Handgelenk.
Wie viele Patienten kommen damit zu Ihnen?
In jeder Sprechstunde habe ich ein bis zwei Patienten mit diesem Krankheitsbild, wobei sicher nicht jeder Fall auf übermäßigen Handy-gebrauch zurückzuführen ist. Der Handydaumen ist aber auf jeden Fall zunehmend. Allgemeinmediziner und niedergelassene Orthopäden sehen solche Patienten sicherlich noch viel häufiger als ich hier im Waldklinikum. Wenn ein Betroffener zu mir vordringt, steht in der Regel die Frage nach einer Operation im Raum.
Das wäre dann der Handydaumen im fortgeschrittenen Stadium. Was droht den Patienten im schlimmsten Fall?
Wird die Sehnenscheidenentzündung früh genug erkannt, kann sie gewöhnlich ohne Operation behandelt werden. Vorübergehend sollte der Daumen ruhig gestellt werden. Hilfreich können auch Ultraschall- und Strombehandlungen sein. Auch bestimmte Formen der Krankengymnastik sind empfehlenswert, um die Verspannung, die dabei eintritt, wieder zu lösen. Wenn die Krankheit jedoch so chronisch ist, dass diese Therapieansätze nichts bringen, würde man operieren. Dabei schneidet man den Sehnenkanal auf und befreit die Sehnen von ihrem entzündlichen Gewebe.
Das Smartphone ist nicht mehr wegzudenken. Wie kann man dennoch vorbeugen?
Wer merkt, dass sein Daumen ermüdet ist, kann den Daumen dehnen, indem er ihn vorsichtig nach vorn zieht. Auch sollte das Handy zwischenzeitlich mal mit dem Zeigefinger bedient werden. Generell gilt: Wer richtige Schmerzen hat, sollte zum Arzt gehen, um eine Operation zu vermeiden.
Gibt es noch andere Erkrankungen, die unter dem Begriff
Handydaumen zusammengefasst werden?
Es wurde auch schon von Fällen von Sehnenzerreißungen berichtet, deren Ursache der entzündungsbedingte Verschleißprozess war. Aber nicht nur die Sehne ist betroffen: In der Handchirurgie erwarten wir, dass es im Laufe der nächsten Jahrzehnte zu deutlich mehr Daumensattelgelenksarthrosen kommen wird, als wir sie heute sehen. Denn das Smartphone ist ja noch eine junge Erfindung.
Auch der sogenannte Handynacken ist angeblich auf dem
Vormarsch. Was verbirgt sich dahinter?
Das ist eine Spezialform einer Verspannung der Hals-, Schulterund Nackenmuskulatur. Es kann sich auf die Halswirbelsäule erstrecken, aber auch bis zum Schultergelenk runtergehen. Die Verspannungen entstehen dadurch, dass der Kopf für längere Zeit starr nach unten gerichtet wird. Je mehr man sich dabei vorbeugt, desto mehr sind die Bandscheiben belastet. Laut einer amerikanischen Studie ruht bei vorgebeugter Handyhaltung eine zusätzliche Belastung von 20 bis 30 Kilogramm auf dem Nacken. Das ist ungefähr so, als würde einem dauerhaft ein sechsjähriges Kind im Nacken sitzen. Dadurch sind die Muskeln stark belastet und verspannen. Diese Verkrampfungen lassen sich mit Wärme, Krankengymnastik und Schmerztabletten im Grunde wieder lockern. Im Extremfall aber könnte diese Zwangshaltung zu narbigen Veränderungen der Muskulatur führen.
Es scheint, der Mensch ist nicht fürs Handy gemacht. . .
Die Natur hat das zumindest nicht so vorhergesehen.