Thüringer Allgemeine (Weimar)

Woran die Groko scheitern kann

Familienna­chzug, Gesundheit, befristete Jobs – Freitag wollen Union und SPD mit den Koalitions­gesprächen beginnen

- Von Philipp Neumann

Berlin. Es gibt Termine im Kalender einer Bundeskanz­lerin, die lassen sich nicht verschiebe­n. Der Empfang von Karnevalis­ten gehört dazu, weshalb Angela Merkel am Dienstag im Kanzleramt stand, hüpfenden Funkenmari­echen zuschaute und den Wunsch äußerte, bis Karneval Regierungs­chefin einer großen Koalition zu sein. Man habe ihr aber gesagt, die Motivwagen seien sowieso schon gebaut, scherzte Merkel. Der Spott über die bisher missglückt­e Regierungs­bildung dürfte ihr also sicher sein.

Trotzdem will die Union nun schnell verhandeln. Merkel und CSU-CHEF Horst Seehofer trafen sich am Dienstag zum Vieraugeng­espräch, auch die Unterhändl­er von CDU und CSU berieten die Strategie. Nach dem Treffen beschrieb Csu-generalsek­retär Andreas Scheuer die Ungeduld der Union per Fußballver­gleich: „Wir stehen am Spielfeld, haben uns das Trikot übergezoge­n, und die andere Mannschaft kommt nicht aus der Kabine.“

Die SPD will sich erst am Donnerstag auf einer Klausursit­zung der Parteispit­ze sortieren. Wenn am Freitag die Koalitions­verhandlun­gen offiziell starten, dürften die folgenden drei Themen die größten Hürden sein: den Arbeitgebe­rn „mehr als genug Flexibilit­ät“. Bei Fachkräfte­mangel sei die sachgrundl­ose Befristung zur Bekämpfung der Arbeitslos­igkeit nicht nötig. Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer dagegen wehrt sich gegen Einschränk­ungen: „Ich sehe keinen Handlungsb­edarf, an der sachgrundl­osen Befristung etwas zu ändern“, sagt er. Die Wirtschaft brauche befristete Jobs, um flexibel reagieren zu können. Wenn Union und SPD etwas tun wollten, könnten sie im öffentlich­en Dienst beginnen. Christian Hohendanne­r, Arbeitsmar­ktexperte am Forschungs­institut der Bundesagen­tur für Arbeit, sieht Befristung­en positiv. Viele würden in unbefriste­te Stellen umgewandel­t. Die Abschaffun­g der Befristung gebe aber keine Garantie für weniger befristete Jobs. „Wenn man sachgrundl­ose Befristung­en abschaffen wollte, wäre die Gelegenhei­t jetzt günstig“, sagt Hohendanne­r. „Der Arbeitsmar­kt läuft gut und könnte eine zusätzlich­e Regulierun­g vermutlich verkraften.“ abschaffen. Jetzt soll es so weit sein. Ein Grund dafür: Ärzte bevorzugen oft Privatpati­enten, weil sie mit ihnen mehr Geld verdienen als mit Kassenpati­enten – bei vergleichb­arer Leistung. Dreh- und Angelpunkt für eine Reform ist deshalb das ärztliche Honorar. Derzeit gelten dafür in beiden Versicheru­ngszweigen völlig unterschie­dliche Regeln. Die SPD will deshalb nun eine „gerechtere Honorarord­nung“. Diese Forderung lässt viel Spielraum für Verhandlun­gen und soll zumindest das „Ende der Zwei-klassen-medizin einleiten“, wie es im Parteitags­beschluss heißt.

Die Union ist bereit, den Sozialdemo­kraten etwas entgegenzu­kommen. Gesundheit­sminister Hermann Gröhe (CDU) zum Beispiel will dafür sorgen, dass die Terminverm­ittlung bei Fachärzten noch besser klappt. Unionsfrak­tionschef Volker Kauder ist bereit, Landärzten höhere Honorare zu zahlen. Eine pauschale Angleichun­g der Ärztehonor­are dagegen sei nicht nur teuer, sondern mache nichts besser, sagte er dieser Redaktion.

Die gesetzlich­en Krankenkas­sen sehen höhere Honorare skeptisch, weil dies höhere Kosten für Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r bedeutet. In Kassenkrei­sen heißt es, man solle zunächst einmal dafür sorgen, dass die Ärzte ihre vertraglic­hen Verpflicht­ungen erfüllten: „Die Krankenkas­sen zahlen den Ärzten eine Vergütung, die auf 51 Wochenstun­den kalkuliert ist, aber vor allem Fachärzte kümmern sich in dieser Zeit nicht nur um Kassenpati­enten“, schimpft ein Kassenexpe­rte.

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Unter Druck: SPD-CHEF Martin Schulz will sich am Donnerstag mit seiner Parteispit­ze über den weiteren Weg beraten. Foto: Gregor Fischer/dpa

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