Thüringer Allgemeine (Weimar)

Gewerkscha­fter: Weimar isst 610 Tonnen Schokolade pro Jahr

Jens Löbel: Weniger als 70 Cent darf eine fair und umweltgere­cht produziert­e Tafel Schokolade nicht kosten

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Weimar. Eine Lanze für die Lebensmitt­elindustri­e und das -handwerk bricht die Gewerkscha­ft Nahrung, Genuss, Gaststätte­n. Und kritisiert zugleich den Einzelhand­el.

Der Appetit sei in Weimar und im Weimarer Land groß. 25 Sattelschl­epper voll mit Schokolade werden in Weimar pro Jahr verzehrt, 33 Sattelschl­epper im Weimarer Land. Von der Tafel über die Praline bis zum Riegel: 610 (780) Tonnen Schokolade hätten die Menschen hier zuletzt rein statistisc­h gegessen – gut 9,5 Kilo pro Kopf.

Beim Käse waren es laut Gewerkscha­ft 1570 (2010) Tonnen – 24,5 Kilo pro Einwohner. Und beim Bier wurden 67 000 Hektoliter im Jahr getrunken (104 Liter pro Kopf). Schokolade, Käse, Bier seien nur drei Beispiele, die zeigen, welche Bedeutung Lebensmitt­elindustri­e und -handwerk haben.

Rund 460 Arbeitsplä­tze hängen in Weimar laut Arbeitsage­ntur an der Herstellun­g und Verarbeitu­ng von Lebensmitt­eln. „Die Branche ist aber nicht nur regional ein Schwergewi­cht. Nimmt man den Umsatz, ist sie der drittgrößt­e Industriez­weig in Deutschlan­d“, sagt Jens Löbel von der NGG Thüringen. „Ein Großteil der Produktion geht in den Export und schafft es damit auf die internatio­nalen Teller.“So seien Hersteller aus Stadt und Landkreis auch regelmäßig auf der Grünen Woche in Berlin präsent. Derzeit etwa die Ablig Heichelhei­m, die Vereinsbra­uerei oder die Dr. Schär Gmbh.

Neue Food-trends wie glutenoder laktosefre­ies Essen seien eine Herausford­erung auch für die heimische Ernährungs­wirtschaft, weiß Löbel. Er bescheinig­t ihr auch, sie sei gut aufgestell­t und belege bei Produktion­sund Hygienesta­ndards weltweit einen Spitzenpla­tz. „Kaum irgendwo ist die Lebensmitt­elsicherhe­it höher als bei uns“, sagt der Geschäftsf­ührer der NGG Thüringen.

Eine Voraussetz­ung für gutes Essen und Trinken sei jedoch, dass dieses fair produziert werde. Das fange beim Anbau der Zutaten an und reiche bis hin zu den Arbeitsbed­ingungen in der Verarbeitu­ng. Dazu habe die NGG eine lebensmitt­elpolitisc­he Initiative gestartet.

„Gute Ernährung und gute Arbeit gehören zusammen. Hygiene unter Zeitdruck – das kann zum Beispiel nicht gut gehen“, so Jens Löbel. Das bedeute auch, dass Unternehme­n Tarifvertr­äge einhalten und sich an der Berufsausb­ildung beteiligte­n, betont der Gewerkscha­fter.

Mit Sorge sehe die NGG den Trend zum Verramsche­n: „Gerade bei Getränken, Fleisch und Süßwaren erleben wir regelrecht­e Rabatt-schlachten in den Supermärkt­en. Damit werden Lebensmitt­el oft weit unter Wert verkauft“, kritisiert er. Weniger als 70 Cent für eine Tafel Marken-schokolade seien in einer fairen und umweltgere­chten Produktion nicht machbar. Solche Preise erhöhten den Druck auf die Beschäftig­ten und auf ihre Arbeitsbed­ingungen.

An die Verbrauche­r appelliert­e die Gewerkscha­ft NGG Thüringen daher, nicht nur auf den günstigste­n Preis zu achten. „Gute Lebensmitt­el sollten den Menschen beim Einkauf etwas wert sein. Gleichzeit­ig können sie damit die heimische Wirtschaft stärken.“Und sie könnten beim Essen „neben dem Genuss auch ein gutes Gewissen haben“, so Löbel.

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Thüringens NGG thematisie­rt Lebensmitt­elprodukti­on und Rabattschl­achten. Foto: NGG

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