Harter Hund mit großem Herzen
Biathlon ist sein Leben, doch mittlerweile steht die Familie über allem: Der Olympiasieger und mehrmalige Weltmeister Frank Ullrich wird heute 60
Suhl. Die Begrüßung wird durch Husten unterbrochen. „Ist nicht weiter schlimm“, sagt Frank Ullrich. „Nur ein Kratzen im Hals“, schmunzelt er, ehe wir wenige Tage vor seinem heutigen 60. Geburtstag ins Gespräch über fast 50 Jahre Biathlon kommen. „Uller“– wie die gesamte Biathlonszene den Olympiasieger, Meistertrainer, die Legende der Skijagd ruft – war vor seinem Jubiläum noch zehn Tage in Sachen Biathlon unterwegs. Zum IBUCUP am Arber im Bayerischen Wald wurde er als Streckenchef eingeladen. Der Besuch des Weltcups in Antholz war ihm Freude und Hobby zugleich.
Dort hatte er viele Gespräche gesucht. Nach über 40 Jahren im internationalen Geschäft kennt er die meisten Sportler, Trainer und Entscheider. Zudem sitzt der Suhler als Mitglied des für den Sport entscheidenden Technischen Komitees noch mit an den Schalthebeln in der Internationalen Biathlon-union. „Ich war als Lobbyist für die Oberhofer WM unterwegs“, fasst „Uller“zusammen und zeigt das Lächeln, mit dem er seine Meinung gern unterstreicht. Frank Ullrich ist begeistert von der Idee einer zweiten WM nach 2004 am Grenzadler. Bei der gescheiterten Bewerbung im vergangen Jahr im moldawischen Chisinau gehörte er der Oberhofer Delegation an. Im kommenden Herbst will er beim Ibukongress die erneute Kandidatur mit seinen Kontakten und seinem Wissen unterstützen. „Es wird erneut sehr schwer. Die erwarteten Mitbewerber, wie Pokljuka oder Nove Mesto, sind auch hervorragende Kandidaten. Wir müssen uns sehr anstrengen“, meint er.
Bereits im letzten Herbst haben die Oberhofer als Schlussfolgerung aus der misslungenen Bewerbung Jugend-trainingscamps am Rennsteig ausgerichtet. Ullrich war einer der Trainer. „Biathlon ist Franks Leben. Daran hängt er, davon kann er nicht lassen“, sagt Ehefrau Katrin. Sie hat volles Verständnis dafür, dass ihr Frank wegen der in Aussicht stehenden WM wieder mehr Zeit dafür investiert.
Dabei hatte die Familie in den vergangenen fast drei Jahren Frank Ullrich fast vollständig ausgefüllt. Sein Rücktritt als Langlauf-bundestrainer, als er sich von der sportlichen Leitung des Deutschen Skiverbands hintergangen fühlte, wirkt noch immer wie ein schmerzender Stachel, hat die Beziehungen zum Verband tiefgekühlt. Trotzdem lehnte er lukrative Trainer-angebote aus dem Ausland ab.
„Mein ganzes berufliches Leben habe ich mich vorwiegend um andere gekümmert, stand der Sport an vorderster Front. Die Familie musste hintanstehen. Seit Frühjahr 2015 habe ich mir sehr viel Zeit für die Familie genommen, habe beispielsweise gesehen, wie meine Enkel aufwuchsen. Bei meinen beiden Töchtern Tina und Steffi ist viel an mir vorbeigegangen“, erzählt er – und fügt als unumstößlichen Fakt an: „Wenn von meiner Familie der Ruf kommt, werde ich auch weiterhin alles liegen- und stehenlassen“. Auch wegen dieser veränderten Prioritäten hat er es abgelehnt, an die Spitze der Oberhofer Wm-bewerbung zu treten, was ihm angeboten wurde – getreu seiner Lebensmaxime: „Ganz oder gar nicht“.
So hat er die vergangenen 50 Jahre gelebt, auch nach schweren Rückschlägen. Es hat seine Familie hart getroffen, als Franks Schwester Mitte der 70-er Jahre verstarb. Er dachte daran, die Kinder- und Jugendsportschule in Oberhof zu verlassen, zur Familie nach Trusetal zurückkehren. Seine Mutter war dagegen. „Wenn du den Sport liebst, dann mach‘s, aber mit voller Kraft“, sagte sie zu ihrem Sohn. Im Winter 1975 wurde er Juniorenweltmeister. „Da ist es mir gelungen, meinen Eltern nach dem Schmerz auch wieder ein Lächeln ins Gesicht zu bringen“, sagt „Uller“fast flüsternd und mit feuchten Augen.
Der nächste Rückschlag war 1982 der Tod seiner ersten Ehefrau. „Das war der härteste Schlag für mich. Am Schlimmsten war, wie Manfred Ewald, der oberste Sportchef der DDR, reagierte“, erinnert er sich. Als der damals schon neunmalige Weltmeister nachfragte, ob er vom Trainingslager nach Hause reisen dürfte, weil seine Frau im Sterbebett liegt, bekam er zur Antwort, dass Ewalds Frau auch einmal krank sei und er bleiben müsse. „Ich bin zusammengebrochen, konnte ihr nicht mehr helfen und habe mir wahnsinnige Vorwürfe gemacht. Damals wollte ich erneut aufhören, habe lange gebraucht, ehe ich wieder auf den Sport fokussiert war“.
Allerdings hatte der Kämpfer Ullrich stets auch die Gabe, aus jeder Situation Kraft zu ziehen – als Sportler und später als ebenso erfolgreicher Trainer.
Als Wm-botschafter für Oberhof unterwegs
Statt Geschenke: Spenden an Kinderhospiz
Als Botschafter des Kinderhospizes in Bad Salzungen hat er gebeten, von persönlichen Geschenken abzusehen, dafür dem Hospiz etwas Gutes zu tun. „Ich habe alles, bin ein glücklicher Mensch, doch in Bad Salzungen wird Unterstützung gebraucht“, begründete er. Seinen Geburtstag feiert er am Samstag im Kreis der Familien und mit Wegbegleitern. Das verriet er noch, ehe er die Ski schnappte und in Antholz eine Laufrunde drehte.
Der Hustenreiz sollte bis zum heutigen „60.“aus dem Körper geblasen werden. Typisch „Uller“!