Thüringer Allgemeine (Weimar)

Eine Schule unter Schock

Ein 15-Jähriger soll in NRW einen Mitschüler (14) getötet haben. Er fühlte sich von ihm provoziert

- Von Andreas Böhme

Lünen. Früh am Dienstagmo­rgen muss es noch einmal gebrummt haben, das Handy des 14-jährigen Schülers der 8a. „Denk dran, heute Abend ist Training“, hat sein Fußballtra­iner ihm geschriebe­n. Eine Antwort kommt nicht mehr. Denn der 14-Jährige ist tot. Erstochen in der Käthe-kollwitz-gesamtschu­le in Lünen bei Dortmund. Die Polizei nahm wenig später einen 15-jährigen Mitschüler als Tatverdäch­tigen fest. Der Tat war ein Streit vorausgega­ngen, wie die Ermittler später mitteilten.

Den ganzen Vormittag sind Seelsorger im Einsatz

Gut zwei Stunden nach der Tat ist das schlichte Gebäude mit Flachdach, in dem knapp 970 Schüler unterricht­et werden, weiträumig abgesperrt. Ein Hubschraub­er kreist über dem Gelände. Immer mehr Eltern fahren vor, eilen mit besorgter Miene in die Mensa, wo den ganzen Vormittag Seelsorger im Einsatz sind, und kommen wenige Minuten später mit ihrem Kind erleichter­t wieder heraus.

Manche Schüler weinen. Einer meint: „Ein Junge ist tot, und der andere hat sein eigenes Leben für immer zerstört. Das ist alles Mist.“Ein weiterer Schüler gibt sich gefasst: „Ist schrecklic­h, ja“, sagt einer. „Aber ich habe keinen von beiden gekannt.“Das haben die meisten Eltern auch nicht, dennoch wirken vor allem viele Mütter sehr mitgenomme­n. „Ich habe jetzt noch Gänsehaut“, sagt etwa Bianca Lohr. „Wie konnte das nur passieren?“

Die Polizei ist mit hundert Beamten im Einsatz. Eins wird schnell ausgeschlo­ssen: ein Amoklauf wie in Erfurt oder Winnenden. Am Abend geben Polizei und Staatsanwa­ltschaft nach der Vernehmung des Tatverdäch­tigen erste Auskünfte. Er sei der Meinung gewesen, dass der 14-Jährige die Mutter des 15-Jährigen provoziere­nd angeschaut habe. Deshalb habe er zugestoche­n.

Der 15-Jährige sei polizeibek­annt gewesen und habe als aggressiv und „unbeschulb­ar“gegolten, so die Behörden. Deshalb habe er vorübergeh­end eine andere Schule besucht. Am Dienstag habe er in der Käthekollw­itz-schule zusammen mit seiner Mutter auf einen Gesprächst­ermin bei einer Sozialarbe­iterin gewartet, in dem es um eine Rückkehr auf die Schule gehen sollte. Beim Warten sei er auf den 14-Jährigen getroffen und die Situation sei eskaliert.

Der 15-Jährige habe ein Messer gezückt und dem Mitschüler soll am Mittwoch dem Haftrichte­r vorgeführt werden. Die Familie des Opfers wird von Fachleuten betreut.

Das Opfer und der mutmaßlich­e Täter sind nach Polizeiang­aben beide in Deutschlan­d geboren. Der 15-Jährige hat zum deutschen auch noch einen kasachisch­en Pass.

„Dieser Vorfall an unserer Schule hat große Betroffenh­eit im Kollegium und in der ganzen Schule ausgelöst“, sagte Schulleite­r Reinhold Bauhus. Unter der Überschrif­t „Wir trauern“formuliert­e die Schulleitu­ng auf einer in schwarzer Grundfarbe gehaltenen Homepage ihre Erschütter­ung. „Es handelte sich um eine schrecklic­he Einzeltat, die nicht absehbar war“, heißt es dort. Am Tag nach der Bluttat werde der Unterricht wieder um 8.15 Uhr beginnen, teilte die Schulleitu­ng mit. „Gerade jetzt ist es für Ihre Kinder sehr wichtig, dass ihnen die vertrauten Schulstruk­turen Halt geben.“

Die Stadt Lünen kündigte für heute Mittag um 12 Uhr eine Schweigemi­nute in allen Schulen und im Rathaus an. „Diese schrecklic­he Tat macht mich tief betroffen. Unser tiefes Mitgefühl und unsere Anteilnahm­e gelten der Familie des Opfers“, erklärte Lünens Bürgermeis­ter Jürgen Kleine-frauns.

Das nordrhein-westfälisc­he Kabinett gedachte des 14-Jährigen, dessen Familie und der Schulgemei­nschaft bereits gestern mit einer Schweigemi­nute. „Es ist die schrecklic­hste Vorstellun­g, die man als Eltern haben kann: Das eigene Kind verlässt das Haus und kommt nicht wieder“, sagte Nrw-ministerpr­äsident Armin Laschet.

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Polizisten sichern den Pausenhof der Lünener Gesamtschu­le. Foto: dpa/pa/bernd Thissen
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Ob der Streit um die Blicke zur Mutter tatsächlic­h das ausschlagg­ebende Tatmotiv war, will die Staatsanwa­ltschaft weiter ermitteln. Der Tatverdäch­tige Eltern und...
mehrfach in den Hals gestochen. Die Tatwaffe sei am Tatort sichergest­ellt worden. Ob der Streit um die Blicke zur Mutter tatsächlic­h das ausschlagg­ebende Tatmotiv war, will die Staatsanwa­ltschaft weiter ermitteln. Der Tatverdäch­tige Eltern und...

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