Legt „wilder Brexit“den Flugverkehr lahm?
Mit Notfallplänen für den Fall eines ungeregelten Austritts wollen EU und Fluggesellschaften den Luftverkehr nach Großbritannien sicherstellen
Berlin. Sonnabendfrüh am 30. März 2019: Jetzt sollen an deutschen Flughafen die ersten Verbindungen nach London starten. Doch die Flugzeuge bleiben am Boden. Wenige Stunden nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union herrscht Chaos – über dem Ärmelkanal fliegt nichts mehr. Dieses Krisenszenario gilt für den Fall, dass Premierministerin Theresa May mit ihrem Brexit-deal scheitert, unter Airline-managern als nicht unrealistisch. Fluggesellschaften rüsten sich für diesen Ernstfall, und die EU kündigte in dieser Woche einen Notfallplan für den Luftverkehr an.
Allein in Deutschland könnte ein „No-deal“-brexit Millionen Passagiere treffen. Nach Zahlen des Flughafenverbands ADV, die unserer Redaktion vorliegen, starten wöchentlich 1368 Flüge von deutschen Flughäfen zu Zielen im Vereinigten Königreich. Insgesamt 3,93 Millionen Passagiere flogen 2017 privat von Deutschland nach Großbritannien, 2,31 Millionen beruflich. Für Geschäftsreisende ist das Land mit Abstand wichtigstes Ziel im Ausland.
Angesichts dieser Zahlen will keine Fluggesellschaft ihre Passagiere mit Warnungen vor heftigen Turbulenzen verunsichern. Doch die Branche ist alarmiert. Hintergrund sind die Regeln des europäischen Binnenmarkts für den Luftverkehr. Hier dürfen nur Gesellschaften mit Sitz in der EU fliegen, die mehrheitlich Investoren aus den Mitgliedsstaaten gehören.
Easyjet hat wegen des Brexit im Juli 2017 einen Ableger in Wien gegründet und 113 Maschinen dorthin verschoben. Easyjet Europe soll Flugrechte in der EU sichern. Der Billigflieger gehört zu knapp einem Drittel dem Mitgründer Stelios Haji-ionannou und seiner Familie mit griechisch-zypriotischen Wurzeln. Insgesamt sind noch nicht mehr als die Hälfte der Anteile, wie die EU es fordert, in Hand von Investoren aus der EU ohne Großbritannien. Easyjet sieht sich aber in einer „besseren Ausgangslage als viele andere Fluggesellschaften“.
Andere – damit ist etwa Ryanair gemeint. Europas größter Billigflieger hat seinen Firmensitz zwar im irischen Dublin. Doch nur 46 Prozent der Aktien werden von Investoren aus der EU mit künftig 27 Mitgliedsländern gehalten. Airline-chef Michael O’leary drohte britischen Anteilseignern mit einem Entzug des Stimmrechts. Den Brexit nannte er „die dümmste Idee der Wirtschaftsgeschichte“.