Studie: Förderung ist schuld an niedriger Produktivität im Osten
Kritik an Äußerungen zu ländlichen Regionen. Tiefensee: Überwindung von 40 Jahren deutscher Teilung braucht langen Atem
Erfurt. Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall zeigen sich laut einer Studie des Leibniz-institutes für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) weiter deutliche Unterschiede zwischen Ost und West. Danach betrug die Produktivität in den neuen Ländern im Jahr 2017 82 Prozent des westdeutschen Durchschnitts. Kein ostdeutsches Flächenland reiche an das westdeutsche Schlusslicht – das Saarland – heran.
Laut Studie mangelt es in den neuen Ländern an großen Unternehmen mit Forschung und Entwicklung (FUE). Von den Top-500-unternehmen in Deutschland haben 464 ihren Konzernsitz im Westen und nur 36 im Osten Deutschlands. Von 61 Milliarden Euro für FUE entfielen mehr als 56 Mrd. auf WestUnternehmen und weniger als fünf Milliarden auf jene in Ostdeutschland.
Die Ursachen dafür sieht die Studie nicht zuletzt in einer falschen Subventionspolitik. Für Investitionen in ostdeutschen Betrieben wurde laut IWH von 1991 bis 2017 Regionalförderung in Höhe von 42 Mrd. Euro bewilligt. Ungeachtet dessen sei Ostdeutschland seit 2000 deutlich langsamer gewachsen als Polen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn. Eine Untersuchung zu Sachsen-anhalt zeige zudem, dass zwar ein positiver Effekt für die Beschäftigung, aber keine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der geförderten Betriebe bewirkt wurde.
Laut IWH hätten es West-ostTransfers ermöglicht, dass in Ostdeutschland mehr verbraucht und investiert als selbst erwirtschaftet wurde. Subventionen hätten den Druck gemindert, die Effizienz zu steigern. „Unternehmen wurden verleitet, nicht benötigte Arbeitsplätze zu erhalten. Deshalb sind Firmen im Osten noch immer weniger produktiv als im Westen“, sagte Iwh-präsident Reint E. Gropp gestern in Berlin. In Zeiten von Fachkräftemangel sollte Wirtschaftsförderung nicht um jeden Preis für Arbeitsplätze sorgen, sondern für Produktivitätssteigerung. Auf heftige Kritik stießen Äußerungen Gropps zur Förderung ländlicher Regionen. Diese hätten in Ostdeutschland überdurchschnittlich profitiert. Die Politik müsse aber akzeptieren, dass vor allem Städte die ostdeutsche Wirtschaft mit Forschung, Innovation und Wertschöpfung voranbringen.
Die Forderung, Städte künftig mehr zu fördern, dürfe nicht da- zu führen, ländliche Regionen abzuhängen, hieß es dazu aus Thüringen. „Es gibt nichts aufzugeben, es gibt nur etwas zu gewinnen, nämlich die Zukunft“, schrieb Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke). Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) erklärte, ganze Landstriche links liegen zu lassen, sei für ihn keine Option: „Wir haben gute Erfahrungen gemacht, Investitions- und Forschungsförderung dort zu konzentrieren, wo die Unternehmen beheimatet sind – im ländlichen Raum genauso wie in den Städten.“Die Überwindung von 40 Jahren Teilung brauche einen langen Atem. Nach Meinung der Industrie- und Handelskammer Südthüringen wurden Fehler in der Förderpolitik, die zu lange die Investitionsfördermittel an die Schaffung von Arbeitsplätzen gekoppelt hat, in Thüringen inzwischen korrigiert.