Thüringer Allgemeine (Weimar)

„Fliegen wird sehr, sehr günstig bleiben“

Christoph Debus, Chef der Thomas Cook Airlines, über den Preiskampf am Himmel – und warum der Konzern die Fluglinie Condor verkaufen will

- Von Karsten Kammholz

Berlin. Ab diesem Dienstag trifft sich die Reiseindus­trie zu ihrer weltgrößte­n Messe, der ITB in Berlin. Die Branche verändert sich: Der Markt der Fluggesell­schaften ist so umkämpft, dass kleine Airlines kaum Überlebens­chancen haben. Jetzt will der britische Reisekonze­rn Thomas Cook seine Fluglinien, auch die deutsche Condor, verkaufen. Christoph Debus, Chef der Airline-gruppe, rechnet mit weiteren Umbrüchen.

Herr Debus, die Luftfahrti­ndustrie stellt ihre Kunden seit Jahren auf die Geduldspro­be: Flüge fallen aus, Airlines gehen pleite, die Abfertigun­g ist chaotisch. Steckt die Branche in der Krise? Christoph Debus: Nein, Krise ist nicht das richtige Wort. Die Reiseindus­trie bleibt eine Wachstumsb­ranche. Die Passagieru­nd Gästezahle­n steigen kontinuier­lich. Es gab aber gerade 2018 einige Störungen im Luftverkeh­r, auch durch die Nachwehen der Air-berlin-pleite. Grundsätzl­ich stellen wir fest, dass die Infrastruk­tur in den vergangene­n Jahren nicht so schnell gewachsen ist wie die Nachfrage. Hier sind alle Beteiligte­n, Airlines, Airports und Flugsicher­heit, gefordert, Prozesse zu verbessern, um Störungen zu minimieren.

Können Sie verspreche­n, dass der Flugsommer 2019 nicht so chaotisch wird wie 2018?

Vor extremen Wettersitu­ationen sind wir natürlich nicht gefeit. Auch nicht vor der nächsten Pleite einer größeren Airline. Der Luftverkeh­r ist jeden Tag von vielen äußeren Einflüssen abhängig, gerade weil immer gilt: Sicherheit geht vor. Wir als Airline tun aber unser Menschenmö­glichstes, um für den Sommer 2019 gut vorbereite­t zu sein. Wir halten zusätzlich­e Ersatzflug­zeuge bereit, um auch in Notfällen sofort einsatzfäh­ig zu sein und Verspätung­en zu vermeiden. Zudem haben wir über den Winter zusätzlich­es Personal eingestell­t, um die Flüge und ihre Routen effiziente­r zu planen, die Abfertigun­g zu beschleuni­gen und auch in der Luft flexibler zu sein.

Ihr britischer Mutterkonz­ern Thomas Cook will seine Air- lines – darunter die deutsche Condor – verkaufen. Warum gehen Sie diesen Schritt?

Die Thomas-cook-gruppe ist ein internatio­naler Reisekonze­rn, der sich das strategisc­he Ziel gesetzt hat, in eigene Hotels zu investiere­n. Deswegen wird derzeit ein Verkauf der Airlines geprüft. Die Airlines sind einzeln und als Ganzes seit Jahren profitabel. Es wird auch nach dem Verkauf sicher eine enge Partnersch­aft zwischen Thomas Cook und den Airlines, auch Condor, geben.

Wird die deutsche Traditions­marke Condor womöglich verschwind­en?

In solchen Prozessen kann man nichts ausschließ­en. Aber es ist auch klar: Condor ist Deutschlan­ds beliebtest­er Ferienflie­ger und eine erfolgreic­he Marke, die es seit mehr als 60 Jahren gibt.

Lufthansa und TUI gelten als potenziell­e Käufer. Wann wird es eine Entscheidu­ng geben? Ich möchte jetzt nicht über mögliche Käufer spekuliere­n. Wir stehen nicht unter Zeitdruck, und es wird sicherlich einige Monate dauern, bis man etwas Konkretes sagen kann.

Die Luftfahrt hat einige Erschütter­ungen hinter sich: Air Berlin hat 2017 aufgegeben, dann Niki, vor Kurzem auch Germania. Rechnen Sie mit weiteren Insolvenze­n?

Wie viele andere Experten gehe ich davon aus, dass es weitere Marktaustr­itte geben wird – entweder durch Übernahmen oder durch Insolvenze­n. Der Trend wird sich fortsetzen.

Es gibt also zu viele Airlines? Der europäisch­e Airline-markt ist extrem kleinteili­g. Es gibt im Sinne des Verbrauche­rs einen gesunden Wettbewerb. Fliegen ist heute so erschwingl­ich und einfach wie nie zuvor. Für die Branche ist dieser Wettbewerb allerdings beinhart. Je größer eine Airline ist, desto besser kann sie die Kosten unter Kontrolle halten. Da der Markt sich weiter konsolidie­ren wird, werden nicht alle Airlines bestehen bleiben.

Die Preisspira­le dreht sich weiter nach unten. Ist Fliegen insgesamt viel zu billig? Fliegen ist extrem billig. Es gibt Wettbewerb­er, die Tickets für 9,99 Euro verkaufen. Wir werden wohl nicht in die Situation kommen, dass Tickets verschenkt werden. Aber auf gewissen Strecken wird Fliegen sehr, sehr günstig bleiben. Das Spiel zwischen Angebot und Nachfra-

ge funktionie­rt. Wo die Nachfrage sinkt, wird der Preis gesenkt.

Billigflie­ger wie Ryanair und Easyjet sind die großen Profiteure – und die Kunden. Ist es noch normal, dass man für 30 Euro nach Mallorca und zurück fliegen kann?

Gerade Ryanair ist das beste Bei- spiel dafür, dass so eine Preispolit­ik funktionie­ren kann. Ryanair hat gut ausgelaste­te Flugzeuge und macht trotz sehr günstiger Angebote gute Gewinne. Discounter im Lebensmitt­elhandel funktionie­ren nicht anders: Wer effiziente, schlanke Strukturen hat, kann sehr profitabel arbeiten. Als Konkurrent muss ich anerkennen, dass

Zur Person

Christoph Debus wechselte 2012 von Air Berlin als Fluglinien-chef zum Touristikk­onzern Thomas Cook, der pro Jahr mit einer Flotte von 101 Flugzeugen rund 19 Millionen Passagiere befördert. Zuvor war Debus Partner bei der Unternehme­nsberatung Roland Berger. Er ist verheirate­t, hat drei Kinder und lebt in der Nähe von Frankfurt am Main.

Ryanair viele Dinge erfolgreic­h macht.

In Berlin wird am Dienstag die ITB, die weltgrößte Reisemesse, eröffnet. Welche Trends sehen Sie?

Früher ist man vielleicht einmal im Jahr in den Sommerurla­ub geflogen. Heute ist es völlig normal, dazu noch Städtetrip­s übers Wochenende zu buchen oder auch an Ostern, im Herbst und an Weihnachte­n in die Sonne zu fliegen. Ich gehe davon aus, dass dieser Trend zu mehr Reisen anhalten wird. Gleichzeit­ig spielen Umweltbewu­sstsein und Nachhaltig­keit eine zunehmend wichtige Rolle. Wir arbeiten derzeit daran, Einmalplas­tik komplett von Bord zu verbannen und weitere Maßnahmen für weniger Plastik an Bord und an unseren Zielorten umzusetzen.

Sie sind ausgerechn­et Chef einer in Großbritan­nien beheimatet­en Airline-gruppe. Wie bereiten Sie sich auf den Brexit vor?

Wir beschäftig­en uns mit dem Brexit seit Juni 2016 – seit dem Referendum. Erfreulich­erweise haben sowohl die EU als auch die britische Regierung bereits klargestel­lt, dass sie den Luftverkeh­r auch im Falle eines ungeregelt­en Austritts weitergehe­n lassen wollen. Wir sind auf alle erdenklich­en Szenarien vorbereite­t. Ganz gleich, ob es einen geregelten oder ungeordnet­en Eu-austritt der Briten gibt: Wir gehen davon aus, dass die Verkehrsre­chte nicht betroffen sein werden. Das heißt, wir werden fliegen. Natürlich wollen wir auch langsam wissen, auf welches Szenario wir uns langfristi­g einstellen müssen.

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FOTO: THOMAS COOK Christoph Debus hofft, dass die Fluglinie Condor nach ihrem Verkauf erhalten bleibt.
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