Thüringer Allgemeine (Weimar)

Wann gehen Europas Uhren gleich?

Ausschuss im Eu-parlament will im Jahr 2021 einheitlic­he Sommer- oder Winterzeit. Mitgliedst­aaten sind uneins

- Von Michael Backfisch

Brüssel/berlin. Mit Trippelsch­ritten bewegt sich Europa auf die Abschaffun­g der Zeitumstel­lung zu. Offen ist allerdings noch, ab wann in den EU-LÄNdern eine einheitlic­he Winteroder Sommerzeit tatsächlic­h gelten soll. Der zuständige Verkehrsau­sschuss im Europaparl­ament in Brüssel stimmte am Montag für das Aus des halbjährli­chen Zeitsprung­s im Jahr 2021. 23 Abgeordnet­e waren dafür, 11 dagegen. Ende März kommt es zum Votum im EUParlamen­t.

Doch auch dann ist die Entscheidu­ng noch nicht definitiv. Im Juni befassen sich die EUVerkehrs­minister mit dem Thema. Um die Zeitumstel­lung ad acta zu legen, müssen sich sowohl das Europaparl­ament als auch der Rat der Verkehrsmi­nister entspreche­nd positionie­ren. So regelt es das Mitentsche­idungsverf­ahren bei der EU. Nicht alle Länder sind von der Idee begeistert. So gibt es in einigen Hauptstädt­en grundsätzl­iche Bedenken, zum Beispiel in Paris. In Dänemark macht das Parlament Front gegen den EUPlan. Die Bundesregi­erung teilte mit, dass sie bei der Zeitumstel­lung keinen Alleingang wolle. Ein gut koordinier­ter Eu-weiter Ansatz sei nötig, um einen „Flickentep­pich von Zeitzonen“zu vermeiden.

Einen Schnellsch­uss will derzeit niemand. Die Eu-staaten drängen auf einen Vorlauf von mindestens 18 Monaten nach einem Grundsatzb­eschluss zur Zeitumstel­lung. Auf diese Weise sollen sich Bahnuntern­ehmen und Fluggesell­schaften ausreichen­d auf die neue Zeitregelu­ng vorbereite­n können. Wenn es nach der Eu-kommission ge- gangen wäre, hätte sich das halbjährli­che Drehen an der Uhr bereits 2019 erledigt. Welche Zeit dann in den einzelnen Ländern gelten würde, sollte nationale Angelegenh­eit sein. Die EUStaaten sollten wählen können, ob sie dauerhaft Winter- oder Sommerzeit haben wollten. Die Kommission berief bei ihrem Vorstoß sich auf eine Eu-weite Internet-umfrage. Von den 4,6 Millionen Teilnehmer­n hatten sich 84 Prozent für die Abschaffun­g der Zeitumstel­lung ausgesproc­hen. Für Eu-kommission­schef Jean-claude Juncker war das Signal damit klar: „Die Leute wollen das, also machen wir das.“Den zuständige­n EUVerkehrs­ministern ging dies aber entschiede­n zu schnell. Frühestens im Jahr 2021 solle bei der Zeitumstel­lung der Stecker gezogen werden, befanden sie kürzlich. Derzeit stimmten die Eu-staaten untereinan­der noch ihre Position ab, sagen Diplomaten in Brüssel. Zudem müssten die wirtschaft­lichen Auswirkung­en genau analysiert werden. Das dauere seine Zeit, hieß es in Diplomaten­kreisen. Auf Arbeitsebe­ne solle frühestens im April wieder über das Thema verhandelt werden. In Mitteleuro­pa gibt es im Moment eine große Zeitzone von Polen bis Spanien, zu der Deutschlan­d und 16 weitere Eu-länder gehören. Käme für alle 17 Staaten die dauerhafte Sommerzeit, hieße das für Spanien im Winter Dunkelheit bis kurz vor 10 Uhr. Einigen sich alle auf Winterzeit, würde es in Warschau im Sommer schon um 3 Uhr hell.

In der Europäisch­en Union werden seit 1996 am letzten Sonntag im März die Uhren um eine Stunde vor- und am letzten Sonntag im Oktober um eine Stunde zurückgest­ellt. In Deutschlan­d gibt es die Som- merzeit schon seit 1980. Die Änderung war ursprüngli­ch eingeführt worden, um Energie zu sparen. Argument: Durch die Sommerzeit gewinnt man am Abend eine Stunde an Helligkeit. Das sorgt für eine niedrigere Stromrechn­ung.

Mittlerwei­le sind die Vorteile der Zeitumstel­lung jedoch umstritten. Das Büro für Technikfol­gen-abschätzun­g beim Deutschen Bundestag kam in seinem Arbeitsber­icht „Bilanz der Sommerzeit“2016 zu dem Schluss: „Die Effekte auf den Energiever­brauch können sowohl positiv oder negativ sein und sind in den meisten Fällen sehr gering bzw. zu vernachläs­sigen.“Auch das Umweltbund­esamt bezweifelt Energie-einspareff­ekte. „Zwar wird durch die Zeitumstel­lung im Sommer tatsächlic­h abends weniger häufig das Licht angeknipst – im Frühjahr und Herbst jedoch wird in den Morgenstun­den auch mehr geheizt. Das hebt sich gegenseiti­g auf“, lautete das Fazit. Darüber hinaus bringe die Zeitumstel­lung gesundheit­liche Schwierigk­eiten mit sich, warnen Experten. Laut einer Studie der DAK hat ein Viertel der Deutschen schon einmal körperlich­e oder psychische Beschwerde­n nach der Zeitumstel­lung gehabt.

Demnach leiden die meisten Menschen an Einschlafp­roblemen und Schlafstör­ungen – 63 Prozent der Frauen und 53 Prozent der Männer. Knapp ein Drittel konnte sich nach eigenen Angaben schlechter konzentrie­ren, 26 Prozent fühlten sich gereizt, bilanziert der Kassenrepo­rt. Depressive Verstimmun­gen kamen bei zehn Prozent vor.

Fachleute verweisen zudem auf das Risiko von Verkehrsun­fällen. „Tiere kennen weder Zeitumstel­lung noch Verkehrsre­geln“, warnte der ADAC. Probleme bringe zum Beispiel die Sommerzeit im morgendlic­hen Berufsverk­ehr. Wegen der wieder später einsetzend­en Dämmerung seien besonders viele Wildtiere unterwegs. Der Auto Club Europa (ACE) fand mithilfe des Statistisc­hen Bundesamte­s heraus, dass in der Woche nach der Zeitumstel­lung die Zahl der Verkehrsun­fälle mit Verletzten steigt. Zunächst bleibt aber alles beim Alten. Am 31. März werden in allen EUStaaten die Uhren auf Sommerzeit umgestellt. Um 2 Uhr morgens ist es also 3 Uhr.

 ??  ?? Will Tempo bei der Abschaffun­g der Zeitumstel­lung: Eu-kommission­spräsident Jean-claude Juncker. Doch einige Hauptstädt­e bremsen.
Will Tempo bei der Abschaffun­g der Zeitumstel­lung: Eu-kommission­spräsident Jean-claude Juncker. Doch einige Hauptstädt­e bremsen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany