Bisher keine Prozesse in Thüringen
Datenschutzgrundverordnung: Gerichte bewerten Verstöße unterschiedlich
Erfurt. An Thüringer Gerichten werden noch keine Verfahren wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) geführt. Eine Nachfrage bei den Thüringer Landgerichten habe ergeben, dass deswegen bislang keine Streitigkeiten zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen anhängig wurden, sagte Jan Boller, Richter und Sprecher am Thüringer Oberlandesgericht.
Das Thüringer Justizministerium erklärte auf Nachfrage, ob und wie die Abmahnbarkeit von Verstößen gegen die DSGVOBestimmungen in Thüringen bewertet werde, falle unter die richterliche Unabhängigkeit. „Diese bewertet die entspre- chenden Rechtsfragen anhand des jeweiligen Einzelfalls“, sagte Ministeriumssprecher Oliver Will. Noch lägen solche konkrete Einzelfallentscheidungen dazu aber nicht vor, stellte Ge- richtssprecher Jan Boller klar. Grundsätzlich würden wettbewerbsrechtliche Verfahren nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln geführt. So enthalte etwa das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb hierzu spezielle Verfahrensvorschriften, die gegebenenfalls beachtet werden müssten.
Laut Christian Scholze, Fachanwalt für Informationstechnologierecht bei der Erfurter Kanzlei Aid24, bewerten deutsche Gerichte die wettbewerbsrechtliche Abmahnbarkeit von Dsgvo-verstößen bisher unterschiedlich. Aus der Sicht der Landgerichte in Köln oder Hamburg könnten beispielsweise Verstöße wie fehlende oder fehlerhafte Datenschutzerklärungen durch Konkurrenten ju- ristisch beanstandet werden. Dagegen hätten die Landgerichte in Magdeburg, Wiesbaden oder Bochum eine Verfolgung bisher ausgeschlossen. „Dass die Gerichte einer drohenden Abmahnwelle so bisher einen Riegel vorschieben, ist kein Grund zur Entwarnung. Händler und andere sollten die DSGVO-BEstimmungen unbedingt umsetzen“, so Scholze. Der Anwalt verwies auf die Kontrollen der Landesdatenschützer, die bereits Bußgelder verhängten.
So auch in Thüringen, wo die Behörde bis Ende 2018 in 65 Fällen Bußgelder wegen Verstößen gegen den Datenschutz erhob. Wegen besonders schwerer Verstöße waren in zwei Fällen jeweils mehr als 10.000 Euro Strafe verhängt worden.