Thüringer Allgemeine (Weimar)

Zurück in der Spur

Rückenprob­leme und Vaterglück: Nach einer wechselvol­len Saison ist Biathlet Erik Lesser bereit für die WM

- Von Marco Alles

Östersund. Die Abreise fiel ihm schwerer als sonst. Als Erik Lesser am Montag in Oberhof gen Östersund aufbrach, wo er gestern bei minus zehn Grad und Sonnensche­in erstmals trainierte, verabschie­dete er sich nicht nur von Freundin Nadine. Auch auf das zwei Monate alte Töchterche­n Anouk muss er erneut zwei Wochen verzichten.

„Klar werden sie mir fehlen – doch ich versuche, es profession­ell zu nehmen. Andere haben ja auch Jobs, bei denen sie verreisen müssen“, sagt Lesser vor den morgen im schwedisch­en Jämtland startenden Biathlon-weltmeiste­rschaften. Gerade einmal 36 Stunden hatte er nach der Rückkehr aus dem Wm-vorbereitu­ngslager in Hochfilzen zu Hause bei seinen Liebsten verbringen können: Waschen, packen, Kraft tanken; dann ging es auch schon wieder los. Und Lesser ist selbst gespannt, wozu er bei den Titelkämpf­en fähig ist.

Die Saison verlief für den Thüringer alles andere als wunschgemä­ß. Wegen hartnäckig­er Beschwerde­n mit der Rückenmusk­ulatur lief er lange hinterher, ließ vor Weihnachte­n den Weltcup in Nove Mesto und danach die World-team-challenge in Gelsenkirc­hen aus. Hinzu kam das Missgeschi­ck im Sprint von Pokljuka. Da er das zweite Magazin nicht mit Patronen gefüllt hatte, musste er stehend alle fünf Schuss per Hand nachladen. Ein „peinlicher Anfängerfe­hler“, wie der 30-Jährige selbst befand.

Mit der Geburt von Anouk jedoch – passenderw­eise während des Heim-weltcups in Oberhof – wendete sich so langsam das Blatt. Das private Glück wirkte sich positiv auf die Gesundheit und damit auf seine Formkurve aus. „Nach dem Weltcup in Antholz, anschließe­ndem Training zu Hause und der Nordamerik­aTour habe ich gemerkt, dass ich wieder besser in den Rhythmus komme“, blickt er zurück. Seine Ergebnisse in Canmore und Salt Lake City (Einzel/8., Sprint/4., Verfolgung/5.) brachten nicht nur die Wm-qualifikat­ion, sondern auch Selbstvert­rauen.

„In Nordamerik­a war meine Komplexlei­stung richtig gut. Ich bin mega-happy, dass es so funktionie­rt hat. Auch in den Staffeln war ich aggressiv und konnte den anderen mein Tempo auf- drücken. So soll es sein“, meint Lesser. Trainer Mark Kirchner hat dies mit Wohlwollen registrier­t: „Erik ist stark zurückgeko­mmen und hat manchmal sogar hundert Prozent am Schießstan­d gebracht. Er ist als Vierter einmal knapp am Podest vorbeigesc­hrammt und von daher wieder vorne mit dabei.“

Während die größten Medaillenh­offnungen auf Arnd Peiffer und Benedikt Doll sowie Laura Dahlmeier ruhen, fühlt sich Lesser wohl in der Rolle des Außenseite­rs. „Der Rücken hält, meine Form ist gut. Ich bin positiv gestimmt, was die Wettkämpfe angeht“, erklärt er verhalten optimistis­ch. Die Zuversicht könnte auch mit den guten Erfahrunge­n zusammenhä­ngen, die der Doppel-weltmeiste­r von 2015 in Östersund bisher gesammelt hat.

2012 stand er hier nach einem Weltcup-einzelrenn­en zum ersten Mal auf dem Podium: Platz drei über die 20 Kilometer; ein Resultat, das er fünf Jahre später im Sprint wiederholt­e. Die Strecken und der Schießstan­d in der traditions­reichen Biathlon-arena, in der schon 1970 Weltmeiste­r gekürt wurden, scheinen ihm demnach zu liegen.

Wer Gold holen will, muss aber vor allem einen Norweger schlagen: Johannes Thignes Bö eilte in diesen Winter von Sieg zu Sieg – und gilt als Topfavorit.

 ?? FOTO: SASCHA FROMM ?? Startklar: Erik Lesser will bei den Titelkämpf­en in Östersund an seine zuletzt guten Weltcup-ergebnisse anknüpfen.
FOTO: SASCHA FROMM Startklar: Erik Lesser will bei den Titelkämpf­en in Östersund an seine zuletzt guten Weltcup-ergebnisse anknüpfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany