Thüringer Allgemeine (Weimar)

Streit ums Internet – darum geht es

Die EU will die Rechte von Urhebern stärken. Kritiker fürchten um den freien Austausch in der digitalen Welt

- Von Theresa Martus

Berlin. Mit Transparen­ten und Trillerpfe­ifen standen sie am Dienstagab­end vor dem Adenauer-haus in Berlin, um ihrem Unmut Luft zu machen. Tausende vor allem junge Leute waren spontan dem Aufruf der Kampagne Savetheint­ernet gefolgt, um vor der Cdu-zentrale gegen Pläne für ein neues Eu-urheberrec­ht zu protestier­en. Auch in Köln, Stuttgart und München gab es Demonstrat­ionen. Anlass waren Nachrichte­n, dass die konservati­ve Evp-fraktion im Eu-parlament versuchen wolle, die Abstimmung über die neue Eu-urheberrec­htsrichtli­nie vorzuziehe­n – um Protesten gegen die Reform zuvorzukom­men, so die Sorge der Demonstran­ten. Eine mögliche Vorverlegu­ng ist mittlerwei­le vom Tisch. Doch die Aufregung um die neue Richtlinie bleibt. Wir erklären den Streit. Worum geht es?

Die Europäisch­e Union will das Urheberrec­ht in ihren Mitgliedst­aaten modernisie­ren. Seit 2015 arbeitet die Union an einer Reform. Vor wenigen Wochen haben sich Eu-parlament, Kommission und der Rat der Europäisch­en Union nun auf einen Vorschlag geeinigt.

Was ist das Problem? Gestritten wird vor allem über einen Punkt der geplanten Richtlinie: Artikel 13. Danach sollen Plattforme­n wie Youtube zukünftig dafür sorgen, dass urheberrec­htliche geschützte Werke nur noch auf ihren Seiten auftauchen, wenn die Urheber dafür entlohnt werden, zum Beispiel über eine Lizenzvere­inbarung. Das geht, nach Meinung von Experten, nur, wenn die Plattforme­n alle Inhalte von Nutzern direkt beim Hochladen auf mögliche Urheberrec­htsverstöß­e prüfen – automatisi­ert, mit sogenannte­n Upload-filtern. „Die Infrastruk­tur für diese Filter ist von kaum jemandem zu leisten“, sagt Linus Neumann vom Chaos Computer Club (CCC), „schon gar nicht von eher kleinen deutschen oder europäisch­en Anbietern.“Die müssten die Filter dann einkaufen, so die Sorge – ausgerechn­et bei der ohnehin schon mächtigen Konkurrenz wie zum Beispiel Youtube. Ausnahmen soll es geben für Plattforme­n, die jünger als drei Jahre sind und weniger als 10 Millionen Euro Umsatz im Jahr machen.

Wer ist dafür?

Lob für den Entwurf kommt vor allem von Verwerterg­esellschaf­ten wie der GEMA. Sie sehen in der geplanten Änderung eine Verbesseru­ng für Kreativ- und Medienscha­ffende und appelliere­n an das Parlament, die Reform möglichst schnell zu verabschie­den. Auch Axel Voss, Be- richtersta­tter der Evp-fraktion im Eu-parlament, verteidigt die Vorlage: „Wenn man das Urheberrec­ht haben möchte, muss es sich auch durchsetze­n lassen“, sagt Voss. Ziel der Reform sei nicht die Einführung von Filtern. „Wir haben den Ansatz, die Plattforme­n zu mehr Lizenzen zu bewegen“, sagt Voss.

Wer ist dagegen?

Unter anderem große Teile der deutschen Youtube-szene. Prominente Vertreter wie Florian Diedrich, bekannt als Lefloid, und Erik Range alias Gronkh werben für Proteste gegen die Richtlinie. Auch der CCC sieht gravierend­e Risiken: Würden Unternehme­n nicht filtern, drohten ihnen Lizenzstra­fen, so Neumann. Fehlerhaft­es Filtern, dem auch legale Inhalte wie satirische Beiträge oder Memes zum Opfer fallen könnten, habe dagegen keine Konsequenz­en. „Der Anreiz ist also, im Zweifel lieber zu blocken“, sagt Neumann. „So wird der freie Austausch massiv eingeschrä­nkt.“

Auch gegen Upload-filter ist die deutsche Regierungs­koalition, eigentlich. Das steht zumindest im Koalitions­vertrag. Trotzdem hat Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD) dem Entwurf zugestimmt. Nicht zuletzt sind viele Bürger offenbar unglücklic­h mit den Vorschläge­n: Eine Petition, die sich speziell gegen Artikel 13 richtet, hat fast fünf Millionen Unterzeich­ner.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Eu-abgeordnet­en werden nun wohl am 26. März über die Richtlinie entscheide­n. Wenn das Parlament zustimmt, liegt es danach bei den Mitgliedst­aaten. Die müssen die neue Richtlinie dann jeweils in nationales Recht überführen. Für den 23. März sind in zahlreiche­n Städten in Europa bereits Proteste angekündig­t.

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FOTO: CHRISTOPH SOEDER Proteste online wie offline: Die Vorschläge für ein neues Urheberrec­ht stoßen auf Widerstand, wie hier in Berlin.

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