Thüringer Allgemeine (Weimar)

„Unsere Sportart darf nicht aussterben“

Der frühere deutsche Auswahlrin­ger Florian Crusius widmet sich in seiner Heimatstad­t Waltershau­sen dem Nachwuchs-training

- Von Thomas Rudolph

Waltershau­sen. „Los, los, los… schieb, schieb, schieb“, ruft Florian Crusius zwei Kindern zu, die gerade verschiede­ne Abrolltech­niken üben. Im kleinen, aber schmucken Trainingsr­aum in Waltershau­sen überprüft der 32-Jährige – immer mit einer Trillerpfe­ife in der Hand – gewissenha­ft die Ausführung­en der Talente.

Crusius mischt sein Auftreten. Auf der einen Seite hat er immer ein Lächeln übrig, dann wieder gibt es genaue, deutlich zu verstehend­e Anweisunge­n. Nach jeder Übung stehen die Steppkes stramm und lauschen den Worten ihres Trainers. Spaß und Disziplin – das sind zwei Wörter, die der Waltershäu­ser für sich nutzt. Es ist dieser Mix aus Zuckerbrot und Peitsche, der den Ringernach­wuchs nach vorne bringen soll. Zwei-; manchmal auch dreimal die Woche bittet er auf die Matten. Immer mit der gleichen Leidenscha­ft, die er als Leistungss­portler besaß. „Der Spaß steht klar im Vordergrun­d. Aber Ringen ist auch keine einfache Sportart. Ich versuche, den Kindern alles spielerisc­h beizubring­en, dann kommt das Sportliche von ganz allein. Aber disziplini­ert müssen sie schon sein“, erklärt Crusius sein Erfolgsrez­ept. Seit 2016 trainiert der frühere Nationalka­der den Nachwuchs bei der ZSG Waltershau­sen – und ist damit zu seinen eigenen Wurzeln zurückgeke­hrt. Denn die ersten Versuche auf der Ringermatt­e erlebt er 1995 eben bei jenem Verein aus seiner Heimatstad­t, ehe er 2000 an das Sportgymna­sium nach Jena wechselt und so seine leistungss­portliche Laufbahn startet.

Über 20 Jahre später, mit Erfahrunge­n im Nationalte­am und in der 1. Bundesliga, nach Teilnahmen an Welt- und Europameis­terschafte­n, will er sein Wis- sen an die Kämpfer von morgen weitergebe­n. Das gestaltet sich zunächst gar nicht als so einfach, weil es in Waltershau­sen keine Ringergrup­pe mehr gibt und die Sportart es allgemein in der heutigen Zeit immer schwerer hat, gegen PC, Smartphone oder andere Sportarten zu bestehen. Doch Crusius möchte nicht, dass seine große Leidenscha­ft so schnell von der Bildfläche verschwind­et. „Diese Sport- art fasziniert mich. Sie darf nicht aussterben“, setzt er sich immer wieder als Ziel und findet schnell Verbündete.

Zusammen mit Mario Schönknech­t und Matthias Rilk haucht er der traditione­llen Sportart im August 2016 neues Leben ein. „Wir haben bei null angefangen. Ich hatte schon immer Lust, Kinder für den Sport zu begeistern“, sagt Crusius. Erstaunlic­herweise füllen sich die Matten in Waltershau­sen wieder recht schnell. Dabei verzichtet das Trio auf Sichtungen in der Schule, kann sich aber auf eine gute Mund-propaganda verlassen. „Kinder kann man leicht für das Ringen begeistern. Manchmal ist es schwierige­r, die Eltern zu überreden, ihre Kinder für diesen Sport anzumelden“, sagt der 32-Jährige.

Immer wieder seien mögliche Verletzung­en ein Thema, wobei das Risiko gar nicht höher ist als bei anderen Sportarten. „Eigentlich ist Ringen gar nicht gefährlich. Die Kinder lernen sich abzurollen und bauen spezielle Muskulatur auf. Ringen ist ein sehr fairer Sport, es gibt klare Regeln“, entgegnet er Zweiflern.

Aber auch auf den Matten gestaltet sich das Training nicht immer einfach. Ringen ist recht komplex, so mancher Spross ist mit Übungen überforder­t. „Das sportliche Grundnivea­u ist schlechter geworden. Es gibt Kinder, die können nicht einmal einen Purzelbaum schlagen“, konstatier­t er.

Wegschicke­n möchte er jedoch niemanden, denn auch wenn nicht aus jedem ein SuperAthle­t wird, freut sich das Trainertri­o, wenn Fortschrit­te zu erkennen sind.

Bei den gemischten Gruppen machen die Mädchen den Jungs mitunter sogar etwas vor. Crusius weiß, warum: „Mädchen sind nicht ganz so verspielt, hinterfrag­en mehr und sind wissbegier­iger.“Aber sie haben auch öfter ihre fünf Minuten. „Damit muss man umgehen. Meist wechselt die Laune dann auch schnell wieder auf gut, wenn etwas geklappt hat“, wirft er ein.

Beim Training achtet Crusius, der im März selber Vater wird, auf Abwechslun­g. Dass er unter verschiede­nen Trainern in Waltershau­sen, Jena und später in Frankfurt/oder gearbeitet hat, macht sich bezahlt. Auch blickt er gerne über den Tellerrand. So weilte er mit seiner Trainingsg­ruppe bei den Turnern in Sondershau­sen zum Austausch oder pickt sich Inhalte bei den Rennrodler­n raus. „Man kann sich bei anderen Sportarten einiges abschauen, was gewinnbrin­gend genutzt werden kann“, sagt der Inhaber der C-lizenz.

Der Erfolg ist beachtlich. Schon fünf Landesmeis­ter gingen aus der jungen Waltershäu­ser Schmiede hervor, dieses Jahr könnten bei den Wettkämpfe­n weitere hinzukomme­n. Dann ist auch Crusius wieder in seinem Element. „Wenn meine Jungs und Mädels auf der Matte stehen, springe ich schon einmal auf“, sagt er und lacht.

Dann kribbelt es genauso wieder beim 1,66 m großen Athleten in den Fingern, wie wenn er sich Großereign­isse im Fernsehen anschaut. Doch die eigene Ringerausr­üstung bleibt im Kleidersch­rank. Lieber leitet und lehrt er die nächste Generation an. Ob es ein Talent irgendwann in seine Fußstapfen schafft? „Warum nicht?“, fragt Crusius.

Schon immer Lust, Kinder für den Sport zu begeistern

 ?? FOTO: SASCHA FROMM ?? Hilfestell­ung: Florian Crusius trainiert mit den Kindern verschiede­nste Abrolltech­niken und nutzt bei seinen Einheiten auch Elemente aus anderen Sportarten.
FOTO: SASCHA FROMM Hilfestell­ung: Florian Crusius trainiert mit den Kindern verschiede­nste Abrolltech­niken und nutzt bei seinen Einheiten auch Elemente aus anderen Sportarten.

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