„Unsere Sportart darf nicht aussterben“
Der frühere deutsche Auswahlringer Florian Crusius widmet sich in seiner Heimatstadt Waltershausen dem Nachwuchs-training
Waltershausen. „Los, los, los… schieb, schieb, schieb“, ruft Florian Crusius zwei Kindern zu, die gerade verschiedene Abrolltechniken üben. Im kleinen, aber schmucken Trainingsraum in Waltershausen überprüft der 32-Jährige – immer mit einer Trillerpfeife in der Hand – gewissenhaft die Ausführungen der Talente.
Crusius mischt sein Auftreten. Auf der einen Seite hat er immer ein Lächeln übrig, dann wieder gibt es genaue, deutlich zu verstehende Anweisungen. Nach jeder Übung stehen die Steppkes stramm und lauschen den Worten ihres Trainers. Spaß und Disziplin – das sind zwei Wörter, die der Waltershäuser für sich nutzt. Es ist dieser Mix aus Zuckerbrot und Peitsche, der den Ringernachwuchs nach vorne bringen soll. Zwei-; manchmal auch dreimal die Woche bittet er auf die Matten. Immer mit der gleichen Leidenschaft, die er als Leistungssportler besaß. „Der Spaß steht klar im Vordergrund. Aber Ringen ist auch keine einfache Sportart. Ich versuche, den Kindern alles spielerisch beizubringen, dann kommt das Sportliche von ganz allein. Aber diszipliniert müssen sie schon sein“, erklärt Crusius sein Erfolgsrezept. Seit 2016 trainiert der frühere Nationalkader den Nachwuchs bei der ZSG Waltershausen – und ist damit zu seinen eigenen Wurzeln zurückgekehrt. Denn die ersten Versuche auf der Ringermatte erlebt er 1995 eben bei jenem Verein aus seiner Heimatstadt, ehe er 2000 an das Sportgymnasium nach Jena wechselt und so seine leistungssportliche Laufbahn startet.
Über 20 Jahre später, mit Erfahrungen im Nationalteam und in der 1. Bundesliga, nach Teilnahmen an Welt- und Europameisterschaften, will er sein Wis- sen an die Kämpfer von morgen weitergeben. Das gestaltet sich zunächst gar nicht als so einfach, weil es in Waltershausen keine Ringergruppe mehr gibt und die Sportart es allgemein in der heutigen Zeit immer schwerer hat, gegen PC, Smartphone oder andere Sportarten zu bestehen. Doch Crusius möchte nicht, dass seine große Leidenschaft so schnell von der Bildfläche verschwindet. „Diese Sport- art fasziniert mich. Sie darf nicht aussterben“, setzt er sich immer wieder als Ziel und findet schnell Verbündete.
Zusammen mit Mario Schönknecht und Matthias Rilk haucht er der traditionellen Sportart im August 2016 neues Leben ein. „Wir haben bei null angefangen. Ich hatte schon immer Lust, Kinder für den Sport zu begeistern“, sagt Crusius. Erstaunlicherweise füllen sich die Matten in Waltershausen wieder recht schnell. Dabei verzichtet das Trio auf Sichtungen in der Schule, kann sich aber auf eine gute Mund-propaganda verlassen. „Kinder kann man leicht für das Ringen begeistern. Manchmal ist es schwieriger, die Eltern zu überreden, ihre Kinder für diesen Sport anzumelden“, sagt der 32-Jährige.
Immer wieder seien mögliche Verletzungen ein Thema, wobei das Risiko gar nicht höher ist als bei anderen Sportarten. „Eigentlich ist Ringen gar nicht gefährlich. Die Kinder lernen sich abzurollen und bauen spezielle Muskulatur auf. Ringen ist ein sehr fairer Sport, es gibt klare Regeln“, entgegnet er Zweiflern.
Aber auch auf den Matten gestaltet sich das Training nicht immer einfach. Ringen ist recht komplex, so mancher Spross ist mit Übungen überfordert. „Das sportliche Grundniveau ist schlechter geworden. Es gibt Kinder, die können nicht einmal einen Purzelbaum schlagen“, konstatiert er.
Wegschicken möchte er jedoch niemanden, denn auch wenn nicht aus jedem ein SuperAthlet wird, freut sich das Trainertrio, wenn Fortschritte zu erkennen sind.
Bei den gemischten Gruppen machen die Mädchen den Jungs mitunter sogar etwas vor. Crusius weiß, warum: „Mädchen sind nicht ganz so verspielt, hinterfragen mehr und sind wissbegieriger.“Aber sie haben auch öfter ihre fünf Minuten. „Damit muss man umgehen. Meist wechselt die Laune dann auch schnell wieder auf gut, wenn etwas geklappt hat“, wirft er ein.
Beim Training achtet Crusius, der im März selber Vater wird, auf Abwechslung. Dass er unter verschiedenen Trainern in Waltershausen, Jena und später in Frankfurt/oder gearbeitet hat, macht sich bezahlt. Auch blickt er gerne über den Tellerrand. So weilte er mit seiner Trainingsgruppe bei den Turnern in Sondershausen zum Austausch oder pickt sich Inhalte bei den Rennrodlern raus. „Man kann sich bei anderen Sportarten einiges abschauen, was gewinnbringend genutzt werden kann“, sagt der Inhaber der C-lizenz.
Der Erfolg ist beachtlich. Schon fünf Landesmeister gingen aus der jungen Waltershäuser Schmiede hervor, dieses Jahr könnten bei den Wettkämpfen weitere hinzukommen. Dann ist auch Crusius wieder in seinem Element. „Wenn meine Jungs und Mädels auf der Matte stehen, springe ich schon einmal auf“, sagt er und lacht.
Dann kribbelt es genauso wieder beim 1,66 m großen Athleten in den Fingern, wie wenn er sich Großereignisse im Fernsehen anschaut. Doch die eigene Ringerausrüstung bleibt im Kleiderschrank. Lieber leitet und lehrt er die nächste Generation an. Ob es ein Talent irgendwann in seine Fußstapfen schafft? „Warum nicht?“, fragt Crusius.
Schon immer Lust, Kinder für den Sport zu begeistern