Der Kronzeuge ist wieder auf freiem Fuß
Staatsanwaltschaft und geständige Teamkollegen drängen Skilangläufer Johannes Dürr in die Rolle des Drahtziehers
Erfurt. Johannes Dürr ist wieder auf freiem Fuß, doch die Anschuldigungen gegen den Kronzeugen im Doping-skandal sind erdrückend. Die Staatsanwaltschaft erklärte, Dürr habe weiter gedopt. Seine früheren Teamkameraden beschuldigen den 31Jährigen, den Kontakt zum inhaftierten Sportarzt Mark Schmidt vermittelt zu haben.
Dürr habe zugegeben, „seit Jahren und bis zuletzt Eigenblutdoping betrieben zu haben“, so die Staatsanwaltschaft Innsbruck. Auf Nachfrage hieß es, er habe noch in der laufenden Wintersaison gedopt. Das Ermittlungsverfahren werde fortgesetzt, Dürr muss weiter mit einer Anklage rechnen. „Es geht ihm gut, er braucht jetzt erst mal Ruhe“, sagte sein Anwalt Michael Lehner gestern. Gegen den Skilangläufer, der am Dienstag festgenommen worden war, besteht laut Staatsanwaltschaft weiterhin der Verdacht des Sportbetruges. Dürr bestritt, durch Eigenblutdoping unrechtmäßig betrogen zu haben.
Umso überraschender ist es, dass Dürr bei seinem Comeback-versuch erneut zu unerlaubten Mitteln griff. Wie Ard-experte Hajo Seppelt erklärte, habe Dürr bestätigt, in diesem Winter mindestens dreimal Blutdoping betrieben zu haben. Einmal auch in Deutschland, in Irschenberg an einer Autobahnraststätte mithilfe von Mark Schmidt, zum letzten Mal im Dezember in der Schweiz.
Dass er ehemalige Teamkollegen an Sportarzt Mark Schmidt vermittelt hat, wies er in der Vernehmung zurück. Die geständigen österreichischen Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf widersprachen. Dürr habe Baldauf 2016 erklärt, dass man ohne Doping kein Spitzenläufer wird. „Und dass uns ein Erfurter Arzt helfen könnte“, so Baldauf. In Mark Schmidt fanden Hauke und Baldauf nach eigenen Aussagen genau den Arzt, der ihnen zum Eigenblutdoping verhalf. „Alles war extrem professionell“, berichtete Hauke. Die Trainer konnten nichts ahnen, die Einstichstellen seien gut versteckt gewesen.
Hauke und Baldauf gehören zu den neun Athleten, die mittlerweile eine Beteiligung an dem Dopingnetzwerk um den Erfurter Arzt eingestanden haben. Angst, beim Doping aufzufliegen, hatten Hauke und Baldauf nach eigener Aussage nicht. „Es reicht, nach dem Rennen ein Glas Salzwasser zu trinken, dadurch wird das Blut so stark verdünnt, dass die Werte normal sind“, erklärte Baldauf und meinte: „Wer beim Blutdoping bei einem normalen Check auffliegt, muss ein Trottel sein.“
Skilangläufer Hauke war in Seefeld mit einer Bluttransfusion im Arm ertappt worden, ein Video davon gelangte über soziale Netzwerke an die Öffentlichkeit. „Ich fühlte mich total ausgeliefert und extrem schuldig“, sagte Hauke über den Moment, nach dem er aber auch „erleichtert“gewesen sei. (sid)