Wolf reißt erstmals Fohlen
Landwirt Heinz Bley aus Crawinkel befürchtet weitere Attacken auf Pferde und Kühe
Liebenstein. Auf einer umzäunten Weide mit 40 Stuten und 40 Kühen hat die Wölfin von Ohrdruf das erste Mal in Thüringen seit ihrem Erscheinen vor fünf Jahren ein Fohlen gerissen.
„Es wurde in der Nacht frisch geboren“, sagte Landwirt Heinz Bley, Bürgermeister von Crawinkel, gestern unserer Zeitung. „Am Morgen des 19. März haben wir nur noch die Reste gefunden, etwa ein Drittel des Fohlens.“
Der erfahrene Rissgutachter Uwe Müller stellte Stunden später fest: Es war der Wolf. So steht es jetzt auch in der offiziellen Liste des Freistaats „Nutztierrisse Thüringen im Jahr 2019“. Nun, befürchtet Bley, seien die Wölfin und ihr zweijähriger Halbwolfsohn auf einen neuen Geschmack gekommen.
„Die Stuten auf der Weide fohlen jetzt und die Kühe kalben. Es wird mit weiteren Verlusten durch Wolfsangriffe zu rechnen sein. Was sollen wir machen? Wir führen unsere täglichen Tierkontrollen durch. Mehr können wir nicht machen. Für den Wolf ist das ein bisschen wie im Schlaraffenland.“Es ist hundert Hektar groß.
Auch in der Nachbarschaft geht die Angst um, dass die Wölfin ihr Nahrungsspektrum auf Pferde erweitert. „Uns fehlt zum Glück noch kein Pferd“, sagte Eveline Heyder vom Hofgut Rippersroda. „Die Wölfe gehören dahin, wo nicht so viel Zivilisation ist.“
Dass Wölfe, die hierzulande etwa 50 Kilogramm wiegen, ausgewachsene Pferde attackieren, ist in Deutschland bisher die Ausnahme. In Niedersachsen al-
Heinz Bley, Bürgermeister von Crawinkel
lerdings haben Wölfe des Rodewalder Rudels mindestens zwei Ponys gerissen, die immerhin etwa 200 Kilogramm wiegen. Im Januar dieses Jahres wurde der Wolfsrüde „GW 717m“deshalb zum Abschuss freigegeben.
Pferde, eine halbe bis eine Tonne schwer, sind wehrhafte Tiere, erläutert Heinz Bley aus Crawinkel. „Trotzdem kann es auch eine Stute erwischen, die
nach der Geburt nicht hochkommt.“Es sei gut möglich, vermutet Bley, dass auch die Stute in Liebenstein im Ilm-kreis versucht hat, ihr Fohlen zu verteidigen. „Aber dann hat sie wohl eingesehen, dass es besser ist, ihr eigenes Leben zu retten.“Wenn Wölfe Nutztiere reißen, so sind dies meistens Schafe und Ziegen. Mehr als 80 von ihnen fielen der Ohrdrufer Wölfin 2017 zum Opfer. Das war das Jahr, in dem die Fähe im Mai sechs Welpen gebar und allein aufzog, weil der Rüde, ein Labrador-haushund, nicht zur Verfügung stand.
2017 war die Wölfin von Ohrdruf der Einzelwolf mit den meisten Nutztierrissen in ganz Deutschland. Aber auch 2018 gingen etwa weitere 50 Nutztiere auf das Konto der Wölfin und ihres Nachwuchses. Von den ursprünglich sechs Welpen wurden drei erschossen. Fest steht, dass zumindest ein Rüde noch lebt. Mit einer Sondergenehmigung wird er derzeit gejagt.