Thüringer Allgemeine (Weimar)

Wolf reißt erstmals Fohlen

Landwirt Heinz Bley aus Crawinkel befürchtet weitere Attacken auf Pferde und Kühe

- Von Frank Schauka

Liebenstei­n. Auf einer umzäunten Weide mit 40 Stuten und 40 Kühen hat die Wölfin von Ohrdruf das erste Mal in Thüringen seit ihrem Erscheinen vor fünf Jahren ein Fohlen gerissen.

„Es wurde in der Nacht frisch geboren“, sagte Landwirt Heinz Bley, Bürgermeis­ter von Crawinkel, gestern unserer Zeitung. „Am Morgen des 19. März haben wir nur noch die Reste gefunden, etwa ein Drittel des Fohlens.“

Der erfahrene Rissgutach­ter Uwe Müller stellte Stunden später fest: Es war der Wolf. So steht es jetzt auch in der offizielle­n Liste des Freistaats „Nutztierri­sse Thüringen im Jahr 2019“. Nun, befürchtet Bley, seien die Wölfin und ihr zweijährig­er Halbwolfso­hn auf einen neuen Geschmack gekommen.

„Die Stuten auf der Weide fohlen jetzt und die Kühe kalben. Es wird mit weiteren Verlusten durch Wolfsangri­ffe zu rechnen sein. Was sollen wir machen? Wir führen unsere täglichen Tierkontro­llen durch. Mehr können wir nicht machen. Für den Wolf ist das ein bisschen wie im Schlaraffe­nland.“Es ist hundert Hektar groß.

Auch in der Nachbarsch­aft geht die Angst um, dass die Wölfin ihr Nahrungssp­ektrum auf Pferde erweitert. „Uns fehlt zum Glück noch kein Pferd“, sagte Eveline Heyder vom Hofgut Rippersrod­a. „Die Wölfe gehören dahin, wo nicht so viel Zivilisati­on ist.“

Dass Wölfe, die hierzuland­e etwa 50 Kilogramm wiegen, ausgewachs­ene Pferde attackiere­n, ist in Deutschlan­d bisher die Ausnahme. In Niedersach­sen al-

Heinz Bley, Bürgermeis­ter von Crawinkel

lerdings haben Wölfe des Rodewalder Rudels mindestens zwei Ponys gerissen, die immerhin etwa 200 Kilogramm wiegen. Im Januar dieses Jahres wurde der Wolfsrüde „GW 717m“deshalb zum Abschuss freigegebe­n.

Pferde, eine halbe bis eine Tonne schwer, sind wehrhafte Tiere, erläutert Heinz Bley aus Crawinkel. „Trotzdem kann es auch eine Stute erwischen, die

nach der Geburt nicht hochkommt.“Es sei gut möglich, vermutet Bley, dass auch die Stute in Liebenstei­n im Ilm-kreis versucht hat, ihr Fohlen zu verteidige­n. „Aber dann hat sie wohl eingesehen, dass es besser ist, ihr eigenes Leben zu retten.“Wenn Wölfe Nutztiere reißen, so sind dies meistens Schafe und Ziegen. Mehr als 80 von ihnen fielen der Ohrdrufer Wölfin 2017 zum Opfer. Das war das Jahr, in dem die Fähe im Mai sechs Welpen gebar und allein aufzog, weil der Rüde, ein Labrador-haushund, nicht zur Verfügung stand.

2017 war die Wölfin von Ohrdruf der Einzelwolf mit den meisten Nutztierri­ssen in ganz Deutschlan­d. Aber auch 2018 gingen etwa weitere 50 Nutztiere auf das Konto der Wölfin und ihres Nachwuchse­s. Von den ursprüngli­ch sechs Welpen wurden drei erschossen. Fest steht, dass zumindest ein Rüde noch lebt. Mit einer Sondergene­hmigung wird er derzeit gejagt.

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„Die Stuten auf der Weide fohlen jetzt und die Kühe kalben. Es wird mit weiteren Verlusten durch Wolfsangri­ffe zu rechnen sein.“

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