Thüringer Allgemeine (Weimar)

Rechnungsh­of: Thüringen droht sich finanziell zu übernehmen

Präsident kritisiert Finanzplan­ung bis 2023 als Wunschdenk­en. Personalau­sgaben steigen auf 30 Prozent des Etats

- Von Martin Debes

Erfurt. Der Thüringer Rechnungsh­of hat die Finanzplan­ung des Landes bis zum Jahr 2023 als übertriebe­n optimistis­ch kritisiert. Sie basiere auf veralteten Prognosen, sagte Präsident Sebastian Dette der Thüringer Allgemeine­n – und sei damit im Ergebnis falsch. „Das ist reines Wunschdenk­en“, sagte er. „Die Zahlen sollen verdecken, dass sich das Land übernimmt.“

Grundlage der mittelfris­tigen Finanzplan­ung für die Jahre 2019 bis 2023, die das Kabinett kürzlich billigte, ist die Steuerschä­tzung vom vorigen Herbst. Sie ging von einem nationalen Wirtschaft­swachstum zwischen 1,3 bis 1,8 Prozent aus. Inzwischen haben sich diese Erwartunge­n in etwa halbiert.

Nach der Planung soll sich das für 2020 geplante Rekordvolu­men des Landesetat­s in Höhe von elf Milliarden Euro trotz steigender Einnahmen nicht weiter erhöhen. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Brüsse- ler Zuschüsse mit der im nächsten Jahrzehnt beginnende­n Förderperi­ode der Europäisch­en Union sinken. So geht das Finanzmini­sterium davon aus, dass ab 2022 nur noch 185 Millionen Euro pro Jahr an EU-GELdern fließen – also etwa 60 Prozent weniger als aktuell.

Parallel dazu steigen die Personalau­sgaben des Landes wegen der starken Tariferhöh­ungen ungebremst an. Sie überschrei­ten kommendes Jahr die Drei-milliarden-grenze und werden laut der Prognose 2023 bei 3,34 Milliarden Euro liegen. Das entspricht dann 30 Prozent des Gesamtetat­s.

Dette wiederholt­e an dieser Stelle seine bekannten Vorwürfe an die rot-rot-grüne Landesregi­erung: „Falls man jetzt nicht gegengeste­uert, werden die kommenden Landtage und Lan- desregieru­ngen kaum noch einen Gestaltung­sspielraum besitzen.“Das Land müsse endlich entscheide­n, welche Aufgaben noch wie zu leisten seien und danach entspreche­nd Stellen abbauen. „Wir leisten uns immer noch deutlich mehr Personal als die anderen Flächenlän­der im Durchschni­tt“, sagte der Rechnungsh­ofpräsiden­t.

Die Koalition hatte den von der Vorgängerr­egierung beschlosse­nen Abbau von 8000 Stellen verlangsam­t und im Be- reich der Polizei ganz gestoppt. Die Behördenre­form brachte kaum messbare Einsparung­en.

Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) räumte ein, dass die Finanzplan­ung mit Risiken behaftet sei. Angesichts der unsicheren Wirtschaft­slage und der vorsichtig­eren Wachstumsp­rognosen gelte es, „Vorsorge für eine konjunktur­ellen Einbruch“zu leisten, sagte sie.

Allerdings sieht die Ministerin das Land im Unterschie­d zum Rechnungsh­of „gut gerüstet“. Sie verwies darauf, dass in dieser Wahlperiod­e gut eine Milliarde Euro an Altschulde­n getilgt werde. Außerdem dürfte die Rücklage, die mit den aktuellen Haushalten stark geschrumpf­t war, bis Ende 2020 auf 670 Millionen Euro anwachsen.

Für den Rechnungsh­of ist dies zu wenig. „Bei einer wirtschaft­lichen Stagnation oder gar einer Rezession werden die Reserven bald aufgebrauc­ht sein“, erklärte Dette. Darüber hinaus gelte ab dem kommenden Jahr die Schuldenbr­emse des Grundgeset­zes. „Es wäre fatal, wenn dann das Land die Investitio­nen drosselt, um die Lücke zu schließen“, sagte der Behördench­ef.

Schon jetzt werden die Investitio­nsausgaben nach dem geplanten Höhepunkt im Jahr 2020 (1,65 Milliarden Euro) bis zum Jahr 2022 auf rund 1,4 Milliarden Euro abgesenkt, um danach wieder leicht zu steigen. Die Investitio­nsquote, also der Anteil der Investitio­nen am Haushalt, verringert­e sich damit von derzeit 15,2 auf 13 Prozent.

Taubert räumt Risiken ein

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