Thüringer Allgemeine (Weimar)

„Hannibal Lecter war sein Idol“

Nach dem Stückelmor­d von Jena gewährt die Aussage der Freundin tiefe Einblicke ins Leben des Täters

- Von Tino Zippel

Jena. Zunächst habe sie geglaubt, ihr Freund scherze. „Wen sollst du getötet haben“, fragt sie, nachdem dieser ihr einen Mord gestanden hat. Doch schnell merkt sie, dass ihr Lebensgefä­hrte es ernst meint. Inzwischen läuft das Sicherungs­verfahren gegen den Vietnamese­n am Landgerich­t Gera.

Die 24-Jährige ist für die Vernehmung früher als geplant aus Vietnam angereist. Sie sagt, ihr Freund habe Einzelheit­en zur Tat berichtet. Der Chinese habe ihn am Briefkaste­n ausgelacht, deshalb habe er ihn unter dem Vorwand, ein Paket für ihn angenommen zu haben, in sein Zimmer im Studentenw­ohnheim am Spitzweide­nweg ge- lockt und dort erschlagen. Anschließe­nd habe er ihn in einen Koffer gepackt und in dessen Appartemen­t gebracht. Er habe den Toten zerteilt und die Einzelstüc­ke vergraben. Auf ihren Einwand hin, dass die Ermittlung­sbehörden in Europa hartnäckig seien und alles herausfänd­en, habe er sie beruhigt: Er habe alles gut organisier­t und die Leichentei­le beseitigt, so dass nichts zu finden sei. „Er hat geredet, als befände sich ein Geist in ihm. Ein normaler Mensch macht doch so etwas nicht“, sagt sie rückblicke­nd.

Die junge Frau hatte ihren Freund noch in der Heimat kennengele­rnt. 2014 besuchten sie denselben Deutschkur­s, um sich auf ein Studium in Deutschlan­d vorzuberei­ten. Er sei lustig gewesen und durch sehr gute Leistungen aufgefalle­n.

Sie kamen zusammen, gingen zunächst nach Berlin. Nach Gelegenhei­tsjobs, etwa als Messerverk­äufer auf dem Oktoberfes­t, studierten sie in Konstanz am Bodensee. Sie wählte Wirtschaft­sinformati­k, er Wirtschaft­singenieur­wesen. Weil ihr das Programmie­ren zu schwer fiel und er lieber Physik studieren wollte, wechselte das Paar nach Jena. Er wohnte zunächst in Lobeda und zog an den Spitzweide­nweg um. Im Frühjahr 2018 stellte ihn schließlic­h eine Jenaer Gaststätte als 450-EuroJobber an. Wegen seiner Freundlich­keit, Höflichkei­t und der sehr guten Deutschken­ntnisse startete er im Service, zeigte aber schnell Talent für die Küche. Dort spülte er Geschirr und bereitete Speisen vor.

„Es gab keine Beanstandu­ngen bei der Arbeit. Er hat jede Anweisung sofort umgesetzt, war sehr gewissenha­ft und schnell“, schwärmt die Gastronomi­n. Besonders gern habe er Zutaten geschnippe­lt.

Seine Freundin beschreibt den Beschuldig­ten als sehr fleißig im Studium. Deshalb sei mit dem Nebenjob zusammen wenig Zeit für Hobbys geblieben. Für Messer und Münzen habe er sich interessie­rt. Wenn sie Zeit hatten, schauten sie die Serie Hannibal Lecter. Der Psychiater führt ein Doppellebe­n als Serienmörd­er und Kannibale. „Er brachte bei den Filmen mehr Sympathie für die bösen Figuren auf. Hannibal Lecter war sein Idol.“Ihr Freund habe die Szenen gemocht, wenn jener Menschenfl­eisch verspeiste.

Vor allem die forensisch­e Psychiater­in Helmburg GöpfertStö­be hakt nach, muss sie doch im Prozess ein Gutachten erstatten, ob der Beschuldig­te wirklich schuldunfä­hig wegen einer psychische­n Erkrankung ist.

Starke Indizien dafür gibt eine Neurologin, die in der Justizvoll­zugsanstal­t eine entspreche­nde Diagnose gestellt hatte. Seitdem ist der Beschuldig­te in der forensisch­en Psychiatri­e in Stadtroda vorläufig untergebra­cht.

In der Gaststätte­n-küche hat er gern geschnippe­lt

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FOTO: TINO ZIPPEL Der Beschuldig­te im Landgerich­t Gera.

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