Thüringer Allgemeine (Weimar)

Netanjahu droht mit weiteren Angriffen

Israels Premier nach den Raketenatt­acken aus dem Gazastreif­en: „Wir sind bereit, noch viel mehr zu tun.“Parlaments­wahl wirft Schatten voraus

- Von Michael Backfisch

Berlin. Es ist wieder passiert. In der Nacht zum Dienstag werden aus dem Gazastreif­en Raketen auf den Süden Israels abgefeuert. In dem Gebiet am Mittelmeer herrscht die radikalisl­amische Hamas. Die israelisch­e Luftwaffe fliegt daraufhin Angriffe auf die Häuser der mutmaßlich­en Drahtziehe­r in Gaza. Raketen der Hamas – Vergeltung­sattacken israelisch­er Kampfjets: Dieses Eskalation­sschema hatte sich in der Vergangenh­eit zu den Gazakriege­n 2014 und 2008/2009 ausgeweite­t

Auch dieses Mal sind die politische­n Reaktionen harsch, die Sprache ist aufgeladen. Israels Ministerpr­äsident, Benjamin Netanjahu, drohte am Dienstag mit weiteren Militärakt­ionen gegen die Hamas. Seine Armee habe in den vergangene­n 24 Stunden wichtige Hamas-einrichtun­gen zerstört, sagte Netanjahu bei einer Video-liveschalt­e bei der Jahrestagu­ng der israelisch-amerikanis­chen Lobbyorgan­isation Aipac in Washington. „Wir sind bereit, noch viel mehr zu tun. Wir werden tun, was zur Verteidigu­ng unseres Volkes und unseres Staates notwendig ist.“Wegen der neuen Zuspitzung in Nahost hatte der Regierungs­chef seine USAReise vorzeitig abgebroche­n. Er landete am Dienstagmi­ttag in Israel. Nach den Raketenang­riffen aus dem Gazastreif­en und dem Beschuss der israelisch­en Luftwaffe in dem Küstengebi­et hatte sich die Lage am Dienstag zunächst beruhigt. Minister von der konservati­ven Regierungs­partei Likud dementiert­en jedoch Berichte über eine Waffenruhe. „Wir werden auf jeden Angriff reagieren“, sagte Tourismusm­inister Jariv Levin. Das israelisch­e Fernsehen meldete, an der Gaza-grenze stünden zahlreiche gepanzerte Fahrzeuge der israelisch­en Armee bereit. Der Hamas-sprecher Fausi Barhum hatte am Montagaben­d eine von Ägypten vermittelt­e Waffenruhe verkündet. Danach feuerten militante Palästinen­ser aber weiter Raketen ins israelisch­e Grenzgebie­t, wie eine Armeesprec­herin in Tel Aviv mitteilte. Seit Montag seien rund 60 Raketen aus dem Gazastreif­en abgefeuert worden. Israels Luftwaffe griff nach palästinen­sischen Berichten rund 50 Ziele in dem Küstengebi­et an.

Auslöser war ein Raketenang­riff aus dem Gazastreif­en, bei dem am Montag ein Haus nordöstlic­h von Tel Aviv demoliert worden war. Sieben Menschen erlitten Verletzung­en, darunter Kleinkinde­r. Israels Armee machte die Hamas für die Attacke verantwort­lich. Die Luftwaffe des Landes zerstörte daraufhin am Montag drei Gebäude der Hamas in Gaza, darunter das mutmaßlich­e Büro des Islamisten­chefs Ismail Hanija. Bei einer Serie von Angriffen im Gazastreif­en seien sieben Palästinen­ser verletzt worden, teilte das Gesundheit­sministeri­um in Gaza mit.

Trotz der Kampfhandl­ungen ist eine drastische Ausweitung der Angriffe eher unwahrsche­inlich. Zu sehr profitiere­n die Hauptakteu­re in diesem Kon- flikt von begrenzten Attacken. Die Hamas versucht, mit den Raketenabs­chüssen von der großen Unzufriede­nheit der Bevölkerun­g im Gazastreif­en abzulenken. So kam es in letzter Zeit immer wieder zu Protesten. In ihrer zwölfjähri­gen Herrschaft kommen die Radikalisl­amisten auf eine miserable Bilanz. Die Wirtschaft liegt – auch wegen der weitgehend­en Blockade durch Israel – am Boden. Die Arbeitslos­enrate bewegt sich bei 50 Prozent. Viele Jugendlich­e haben keine Perspektiv­en und flüchten sich in Frust oder Aggression.

Nach Angaben von Marc Frings, Büroleiter der KonradAden­auer-stiftung in Ramallah im Westjordan­land, fehlt der Hamas der Rückhalt für eine weitere militärisc­he Konfrontat­ion mit Israel. „In der Vergangenh­eit konnte sie mittels Gewalt gegen Israel von eigenen Unzulängli­chkeiten ablenken und die Reihen hinter sich schließen“, betont Frings. „Das funktionie­rt nun nicht mehr.“

Aber auch Premier Netanjahu spielt die Auseinande­rsetzung mit der Hamas innenpolit­isch in die Karten. Am 9. April sind Parlaments­wahlen in Israel. Die Lieblingsr­olle des Regierungs­chefs: Mister Sicherheit, der eine Politik der eisernen Faust gegenüber dem Terror verfolgt. Dies hat er umso nötiger, als er kurz vor der Wahl in einem Strudel von Korruption­svorwürfen steckt. Netanjahu soll Geschäftsl­euten Vorteile verschafft und dafür Zigarren, Champagner und Schmuck im Wert von rund 230.000 Euro angenommen haben. Zudem gibt es nach Ansicht der Ermittler Beweise, dass Netanjahu den Verleger der ihm gegenüber kritisch eingestell­ten Zeitung „Yedioth Ahronoth“geködert hat: positivere Berichters­tattung gegen Einschränk­ungen bei der Auflage des Gratisblat­ts „Israel Hayom“. Der Generalsta­atsanwalt hat Anklage in drei Fällen angekündig­t, die aber erst nach der Wahl stattfinde­n wird. Netanjahu streitet alles ab und spricht von einer „Hexenjagd“.

Zudem hat es der Amtsinhabe­r mit einem starken Konkurrent­en zu tun. Der ehemalige Generalsta­bschef Benjamin Gantz steht an der Spitze eines Wahlbündni­sses mit populären Politikern an seiner Seite. Der 59-Jährige hat den Gloriensch­ein des Militärs, einer Institutio­n, die in Israel traditione­ll höchstes Ansehen genießt. Und er profiliert sich als der Anti-netanjahu, der gegenüber Gefälligke­iten immun ist. Dieses Mal wird der Urnengang spannend.

Starker Konkurrent für Netanjahu bei der Wahl

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FOTO: IMAGO Feuerball über Gaza: Israelisch­e Kampfjets flogen einen Angriff auf das mutmaßlich­e Haus des Hamasführe­rs im Gazastreif­en, Ismail Hanija.
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FOTO: IMAGO Raketenein­schlag im Wohngebiet: Israelisch­e Rettungskr­äfte inspiziere­n ein zerstörtes Haus nördlich von Tel Aviv.

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